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Dienstag, 28. Juni 2016

Mad-East-Marathon Medium am 25.06.16

Über die Anreise nach Old Mountain verliere ich keine großen Worte, nur so viele, dass ich froh bin, Umleitungen und grausige Sonntagsfahrer einigermaßen kompensieren zu können. Katastrophe. Ich bin gerade noch so „pünktlich“.
Wie vereinbart, übergebe ich meine vier Bottles unserer dicken Kaiserin, die bei der Hitze das Zünglein an der Waage spielen könnte. Pitt Brettson macht dasselbe, nur will er im Gegensatz zu mir 126 km fahren, ich nur 90.

Punkt 10 Uhr geht’s scharf und gleich den Skihang hoch. Mein Warmfahren fiel aus Zeitgründen völlig aus, sodass ich hier schon den Anschluss verliere. Oben auf der Kuppe wird’s nicht besser, der Körper streikt. In meinem Alter passiert das quasi jeden zweiten Tag. Die schwüle Hitze ist mir zu groß, und es widerfährt mir nicht das erste Mal, dass ich bei Temperaturen um 30°C dermaßen den Anker werfe. Ich bin zu langsam, um den Fliegen und Pferdebremsen davonzufahren, und werde zur Strafe zerstochen. Bergauf geht nicht viel, bergab fährt das Fully quasi von selbst. Blöd ist nur, wenn auf einmal mitten im Wald im engen Downhill ein Medizin-Krad vor dir rumschleicht und du nicht vorbeikommst. Liegt da etwa wieder einer quer zwischen den Felsen? Bitte nicht. Da sich aber zum Glück scheinbar niemand abgeworfen hat, ist mir das Ganze ein Rätsel. Dadurch verliere ich noch etwas mehr Zeit als sowieso schon.

Mit Daniel Kletzinson fahre ich eine Weile durch die Wälder, bis auch er von mir Abstand nimmt – nach vorn natürlich. Es ist drückend schwül, und mich fahren mehrere Leute von hinten auf. Die scheinen Hitze alle deutlich besser zu verkraften. Sandra Kaiserson hat mich in der Zwischenzeit schon zweimal verbottelt, doch bei Kilometer 60 geht mir die Flüssigkeit aus, die nächste Verpflegung steht bei Kilometer 73 im Roadbook. Freude kommt auf. Der Kopf will, die Beine nicht. Den Pulsgurt habe ich vorsichtshalber gleich vergessen, sodass ich mir das Dilemma nicht digitalisiert auf dem Tacho anschauen muss. Jede Flussdurchfahrt nehme ich mit Wonne an, weil’s einfach erfrischend ist, nur die Gasannahme funktioniert nach wie vor überhaupt nicht. Zum Glück kommt vor Kilometer 73 doch noch eine kleine Getränkestation, wo ich ordentlich hinlange. Das rettet mich bis zu Sandras offizieller Verbottelung paar Kilometer später. Ich war kurz vorher drauf und dran, das Bike und mich in den Schatten zu legen und mich `ne Runde aufs Ohr zu hauen. Sandra übergibt mir zwei Flaschen, eine davon ins Trikot, weil ja das Fully nur einen Halter hat. Äpfel und Kuchen vernichte ich vorsichtshalber auch noch jeweils zwei Stück und eine Flasche vom Veranstalter.

Knapp 10 km später wird’s auf einmal spürbar kühler. Ein Gewitter ist im Anmarsch, ein kühles Lüftchen weht jetzt auch. Ich muss nicht lange warten, da springt der Diesel endlich an. Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Luftzug her. Mit jetzt üblichem Druck kann ich noch zwei Fahrer mit gutem Geschwindigkeitsüberschuss überholen, doch blöderweise ist es nicht mehr weit bis ins Ziel, um noch mehr Leute einzuholen. Schöner Mist.

Am Ende springt für mich ein desolater achter Gesamtrang raus mit 30 min Rückstand zur Spitze. Ich kann froh sein, nicht von der ersten Maid überholt worden zu sein, die nur neun Minuten Rückstand auf mich hat. Pitt Brettson wird auf der Mad-East-Hell-Strecke beachtlicher Sechster.
Die Gründe sind klar, es liegt definitiv bei mir an der schwülen Hitze. Schlecht ist nur, dass andere damit deutlich besser klarkommen als ich. Und, liebes Fully, bitte entschuldige, dass ich dich heute nicht so geritten habe, wie du’s verdienst. Es kommen wieder kühlere und bessere Tage. Vielleicht sollte ich Rennen auf Island fahren.

Lieben Dank an die Kaiserin, die mächtig rotieren und Sprit verballern musste, um Pitt und mich zu versorgen, und das mit der Wampe in dem kleinen Auto. Und was unseren lieben Flaschenklauson angeht, er wurde inzwischen solide verschraubt und ist auf dem Weg der Besserung. Bald kann er wieder Fußball spielen, äh, Rad fahren. Daumen drücken.

Nächstes Weekend ist zum Glück rennfrei, da heißt es „Mut zur Pause“, die ich scheinbar dringend nötig habe. Danach schauen wir mal, was der olle Körper noch so hergibt.

Ergebnisse: hier.

Montag, 20. Juni 2016

UCI Marathon World Series Malevil am 18.06.16

Letztes Jahr konnte ich verletzungsbedingt leider nicht teilnehmen, weil ich mir in Tschechien den linken Arm zerlegt hatte. Dieses Jahr stehen die Vorzeichen besser. Grund genug, sich für die Männer-Elite-Kategorie (MEL bzw. Muschis Elite) für die knapp 100 km anzumelden. Mir bleibt auch gar nichts anderes übrig, da ich ja eine UCI-Lizenz gelöst habe. Da würde ich also auch bspw. mit 116 Lebensjahren in der MEL fahren. Nebeneffekt: Man kann hier trotz Ü40 Weltranglistenpunkte sammeln und sich für die Profi-WM qualifizieren, sofern man in der MEL unter die Top-20 radelt. Aber daran denke ich erst mal nicht, heile und fix durchzukommen, das steht auf dem Plan. Ein Unterfangen, was angesichts der massiven Niederschläge die Tage zuvor und den daraus resultierenden schlammigen Streckenverhältnissen gar nicht mal so einfach werden soll …

Zusammen mit Torsten „Mütze“ Mützlitz und unseren beiden Fullys geht’s im Kombi tags zuvor nach Jablonne, um die Startunterlagen einzuheimsen, und nach Oybin in die luxuriöse Unterkunft. Dort treffen wir wenig später auch schon Familie Stark-Hoffmüller mit ihren beiden Nachzüglern Paul und Emil. Rein abkürzungstechnisch hieße das FK, LH, FKM 1.0 und FKM 2.0. Da Mütze und beide FK-Minis kaum Platz beanspruchen, ist die Bude mit sechs Mann zwar zweifach überbucht, aber bewegen kann man sich trotzdem noch. Nach den Spaghetti, dem Fußball und dem perfekten Windelwechsel bei den FKMs durch Laura geht’s für Mütze und mich auf die Doppelschlafcouch, für die gesamte Familie Stark-Hoffmüller ins Ehebett.

Um 5.45 Uhr kräht der elektronische Hahn, geschlafen habe ich ganz gut, weil Mütze nur mäßig schnarcht, und FK meint, er habe geträumt, dass ihm der Lenker in einer Abfahrt bricht und er schwer stürzt. Hmm. Frühstück und Notdurft sind fix verrichtet, sodass wir 7.30 Uhr der Unterkunft mit Kind und Kegel adieu sagen können. Schnell noch die Blaumeise aus meinem Kühlergrill entfernen, die ich mir irgendwo bei Bautzen eingefangen habe, und ab geht’s nach Jablonne. Um acht schlagen wir auf, halb neun ist der Start für die 100 km in der Ortsmitte. Zeitlich sehr knapp alles. Zum Glück habe ich mir gestern Abend bereits die Startnummer ans Trikot geheftet, weil ich mit den Sicherheitsnadeln auf Kriegsfuß stehe. Nun aber geht das ganze Chaos erst los …

Beim Einordnen in den MEL-Startblock bemerkt die Renn-Kommissarin, dass meine Lenkernummer nicht mit meiner Rückennummer übereinstimmt. Die Dame hat Recht. Super Sache, auf dem Rücken habe ich meine eingebuchte 28, am Lenker Mützes 35. Und keiner hat’s gemerkt. Mütze hat am Lenker meine 28 und auf dem Rücken gar nichts, und das nicht, weil sein Trikot zu klein ist für die Startnummer, sondern weil seine Rückennummer 35 noch in seinem Startbeutel ihr Dasein fristet. Da hat des Nachts die Startertütenfee Mützes und meinen Beutel ausgetauscht in der Herberge, die Böse. Am Start fängt ein Rennkommissar an, mir die korrekte 28 vom Rücken abzupopeln und mir seine Kamera gegen die Birne zu schlagen. Ich übernehme das jetzt mal lieber selbst, geht einfach schneller. Die 28 macht sich Mütze ans Trikot, ich mir die 35. Woher Mütze die 35 zaubert, ist mir bis jetzt unklar. Die liegt doch eigentlich im Kfz? Keine Ahnung. Pünktlich 30 s vor dem Start sind Mütze und ich fertig, nur die Startnummern sind vertauscht. Mütze ist Güldi. Güldi ist Mütze. Und schon geht’s zügig los.

Wie immer sind die Profis, Halbprofis und Viertelprofis schnell außer Sichtweite, ich beginne recht defensiv, weil ich die Strecke kenne und weil ich meinen Pulsgurt daheim vergessen und keinen Wattmesser am MTB habe. Ich fahre nach Gefühl. Irgendwann befinde ich mich jedoch in einer Fünf-Mann-Gruppe, die leider nicht so gut läuft. Steffen Langer ist auch dabei, gibt aber beizeiten im ersten ansteigenden Waldstück Gas. Wir lassen ihn fahren. Dann kommt so ein oller Schlammanstieg, wo ich aus unserer Gruppe der Einzige bin, der den komplett durchhobelt auf dem Bike, und meiner Gruppe davonfahre. Ein Fully hat auch Traktion bergauf. Das Loch zu Steffen wird etwas kleiner, nur stehe ich einige Zeit später ganz allein im Wald. Irgendwo habe ich einen Abzweig verpasst. Ich drehe eine Runde, finde aber den Weg nicht mehr, verflixt. Irgendwann kommt meine ehemalige Gruppe angerollt, die sofort weiß, wo’s langgeht. Ich sah den Wald vor lauter Bäumen nicht, wie sich herausstellt. Die „dicke“ Kaiserin verbottelt mich astrein unmittelbar danach, und weiter geht die Hatz. Bergauf drücken die Tschechen gutes Tempo und koppeln ein paar Landsleute ab, auf den Geraden und bergab wirkt das Tempo gedrosselt. 

Bei Kilometer 32 kommen wir dann an so eine kurze, mit größeren Felsbrocken gespickte Abfahrt mit drei Ausrufezeichen. Wenn in Tschechien Abfahrten mit Ausrufezeichen oder Totenköpfen versehen werden, sollte man sich durchaus vorsehen. Merkwürdigerweise steht dort Mütze und winkt uns zu. Ich denke erst, dass er Panne hat, aber als ich in die Abfahrt einschwinge, sehe ich das Dilemma. Dort liegt jemand vor Schmerzen gekrümmt, der mir sehr bekannt vorkommt. Ich springe sofort ab vom Rad, während die Tschechen vor und hinter mir weiterdüsen. Es geht schließlich um Sekunden in der Endabrechnung, und der Typ, der hier quer zwischen den Felsblöcken im Weg liegt, macht sicher nur Mittagsschlaf … Meinen Teamkollegen und Übermensch Sebastian Stark hat’s echt übel zerlegt. Während Torsten den Verkehr am Abhang regelt, kümmere ich mich um FK. Sein Helm ist in mehrere Teile zerbrochen, Hämatome am Kopf sind nur das kleinere Übel, schlimmer ist sein Rücken. Als ich als „Halbmediziner“ seine Arme und schließlich seinen Rücken und seine Wirbel abtaste, quält er sich einen Schmerzschrei heraus. Reden kann er nicht, das Atmen fällt auch sehr schwer. Er röchelt. Kein Wunder bei einer beidseitigen Lungenquetschung und einem durchaus lebensbedrohlichen Pneumothorax. Dass noch vier Brust- und ein Halswirbel gebrochen, teils sogar noch komprimiert und verschoben sind, verschlimmert die Sache noch mehr. (Das hier darf ich alles nach Rücksprache mit FK himself schreiben. Dadurch ersparen wir ihm Nachfragen zu seinen Verletzungen.) Seine Arme kann er zum Glück noch bewegen. Reden ist nicht viel, weil er’s nicht mehr kann. Bei solchen Bildern stellt man sich die Frage, wofür das alles? Mir geht das sehr nahe, weil ich ihm nicht wirklich helfen kann und weil mir Laura und seine beiden Knirpse durch den Kopf schießen.
Hilfe wurde zum Glück schon angefordert, sodass wir sicher sein können, dass er gleich stabilisiert wird. Ich sage zu Torsten, er solle weiterfahren, Torsten meint, ich solle weiterfahren, FK röchelt auch, ich solle weiterfahren, also fahre ich irgendwann weiter – im Halbgasmodus, geschockt von den Bildern. Den Rettungskräften weise ich noch den genauen Weg, kurz darauf wird ihm professionell geholfen. Pitt, der inzwischen an die Unfallstelle gekommen ist, kümmert sich weiter um ihn. Wenig später wird Sebastian per Helikopter nach Liberec auf die Intensivstation geflogen, wo er bis dato weiter stabilisiert und behandelt wird. Er darf jetzt geschlagene sechs (!) Wochen nur im Bett liegen, quasi bewegungslos. Eine OP wird es aller Voraussicht nach erst einmal nicht geben, und damit auch keinen X-Man 2.0. (Auch das darf ich schreiben.) Unser Team und ich wünschen ihm beste und schnelle Genesung, auf dass er schon bald wieder laufen und irgendwann auch wieder Rad fahren kann!

Der Rest des Rennens plätschert nun so dahin, da die Bilder im Kopf ständig mitfahren. Einige der Tschechen hole ich trotz vorsichtiger Bergabfahrweise wieder ein, dann haut’s mich trotzdem selbst vom Gaul in einer schlammigen Spurrinne, Mütze kommt irgendwann brüllend von hinten an mich heran, dass ich doch bitte warten möge, bis er angedockt hat. In Oybin bei Kilometer 55 werden wir bereits sehnsüchtig erwartet und erneut von Sandra verbottelt, Mütze teilt Laura die Geschehnisse mit. Laura begibt sich zusammen mit der Kaiserin sofort Richtung Start/Ziel. Damit fällt für uns die dritte eigene Verpflegung aus, aber es gibt im Moment deutlich Wichtigeres.
Den Hochwald empor kämpfe ich mit Traktionsproblemen, Torsten kommt da deutlich besser hinauf und enteilt mir. Bergab fahre ich trotz Fully um einiges vorsichtiger als üblich, was zur Folge hat, dass zwei Tschechen aufschließen. Die Verpflegungsstelle am Ende der Abfahrt soll für viele Kilometer die letzte bleiben, also fleißig nachtanken, was nur mit einem Boxenstopp wirklich funktioniert.
Der von mir am meisten gehasste Streckenabschnitt folgt wenig später. Dort kann ich zwar einen Tschechen abkoppeln, aber trotzdem stehe ich im Moment wie eine Litfaßsäule. Die Schiebepassage und das wurzelige Wiesenstück am Kamm oben verteufle ich jedes Mal aufs Neue. Über schlammige und nicht ungefährliche Abfahrten und einen steilen Anstieg rette ich mich bei Kilometer 77 in die Feedzone und trinke erst mal eine Flasche auf Ex. Banane, Apfelsine, 2 Gels müssen auch dran glauben, zwei Flaschen nehme ich mit an Bord, eine davon im Trikot, weil ich am Fully nur einen Halter habe. Zu diesem Zeitpunkt bin ich fast wieder an meiner ehemaligen Gruppe dran, aber die scheinen besser getrunken zu haben, weil die durchziehen an der Verpflegung. Nach meinem Boxenstopp sind sie natürlich wieder weg.

Ab Kilometer 80 ungefähr zündet bei mir der Turbodiesel. Zwei Elite-Muschis und einen schnellen Hobbyfahrer kann ich noch stellen, bevor ich mit jetzt wieder guten Beinen als 16. der MEL-Klasse und 23. der Gesamtwertung ins Ziel rausche auf einer zu den letzten Jahren etwas verschärften Strecke. Mütze ist schon da. Aber er ist nur 18. der MEL-Klasse und 29. im Gesamtklassement. Nanu, Hase und Igel. Klar, die Tütenfee hat natürlich auch unsere Transponder vertauscht. Macht aber nix, die Platzierungen sind heute sekundär. Und dass ich nun Weltranglistenpunkte habe und für die UCI-MTB-Marathon-WM am kommenden Wochenende in Laissac qualifiziert bin, auch. Keine Sorge, lieber Alban, ich komme nicht. Zu kurzfristig und kein Geld übrig für Unterkunft, An- und Abreise, Nationaltrikot und -hose.
Pitt Götze (100 km) und Bastian Wauschkuhn (65 km) erreichen zum Glück im Ganzen das Ziel.

Nach dem Duschen mit kaltem Wasser, dem leckeren Essen und dem englischen Plausch mit der ukrainischen Gesamtsiegerin, die mich in ein Gespräch verwickelt, holen wir uns noch Infos zum Gesundheitszustand unseres Übermenschen ein. Es bleibt bei der schlimmen Diagnose. Dass die Heimfahrt da nicht sonderlich lustig ausfällt, ist klar. Und man möge mir verzeihen, wenn dieser Bericht hier auch nicht mit dem üblichen Augenzwinkern formuliert ist.

Lieber Sebastian, wir denken an dich, ich habe zweimal in zwei Nächten von dir geträumt, wünsche dir allerbeste Gesundung, und wenn du oder Laura Hilfe benötigen, sagste bzw. schreibste Bescheid. Übermenschen heilen übrigens doppelt so schnell wie wir Normalos!

Ergebnisse: hier.
Next race: Mad East Challenge.

Mittwoch, 8. Juni 2016

1. Miriquidi Bike Challenge in Marienberg am 05.06.16

Kurzfristig hatten Drei-Meter-Mann Lars und ich eigentlich vor, dieses Wochenende bei einem Rollatorrennen im AZURIT Seniorenzentrum Altes Rathaus Chemnitz zu starten, doch kurzerhand entscheiden wir uns für Marienberg. Dort findet zum ersten Mal die sog. Miriquidi Bike Challenge – die MBC – statt. Die wird mit Mountainbikes ausgetragen.

Am Sonntagmorgen packe ich nach einer wirklich miesen Nacht meinen gut 24 Jahre jüngeren Ziehsohn und Teamkameraden Christian Schröder mit ins Auto, der die Challenge auch fahren will. Die zahlreichen Niederschläge die Tage zuvor bei null Streckenkenntnis machen mir die Entscheidung, welche Strecke ich fahren sollte, alles andere als leicht. Erst vor Ort und auch mit Hilfe von Ronald Oehmes Strecken-Know-how entscheide ich mich für den langen Kanten über 90 km. Wenn ich das Programm für die kommenden Wochen und meinen Hüftumfang so sehe, müssen es zwangsläufig auch die 90 km werden.
„Ein Fully brauchst du nicht!“, meint Ronald am Vorabend, also mache ich das Hardtail race-ready – freilich mit einer kleineren Übersetzung als in Markersbach und dieses Mal mit Federgabel. Die Bremsbeläge sind so lala, aber das Bremsen wird eh überbewertet. Christians und mein Verbottler ist mit Uwe Möckel auch schnell gefunden, der sich ohne Murren und Knurren bereit erklärt, uns beide zuzüglich Ronald zu verbotteln.

Um neun geht’s scharf für die knapp dreißig Bekloppten. Von oben ist es zum Glück trocken, aber von unten schon nach den ersten Metern klitschnass. Und überall Schlamm. Der Grip ist so mies wie das TV-Programm von RTL2. Ohne jedwede Streckenkenntnis rolle ich erst mal bei recht humanem Tempo mit dem Pulk mit und lasse mich von Kurve zu Kurve überraschen, wo’s denn so hingeht. Auch ein Karnickel begleitet uns für einige Meter, doch Möhren haben wir ausgerechnet heute nicht dabei. Ein Trail jagt den nächsten, und auch ein stillgelegter Bahndamm wird von uns unter die Räder genommen. Irgendwo auf den ersten Kilometern befahren wir auch eins der wirklich kaum vorhandenen Asphaltstücke. Ron Oehme verpasst hier allerdings einen Abzweig links in einen Trail hinein, was zur Folge hat, dass er scharf anbremsen und einlenken muss. Ich bekomme davon so einen Schreck, dass ich zu stark an der Vorderbremse ziehe, was mein Vorderrad mit abruptem Wegrutschen quittiert. Da liege ich mal wieder auf der Schnauze, und natürlich wie immer auf der linken Seite. Ich scheine da eine Unwucht in meiner Körperhorizontalen zu haben. Doch zum Glück fahre ich ja mit Armprothese, deswegen bleibt der Ellenbogen heil, nur der linke Oberschenkel wird neu tapeziert. Nach kurzem Zwischenstopp kann ich das Loch zur Spitze im folgenden Schlamm-Col wieder zudrücken.
Weiter geht’s in einem angenehmen Tempo, wobei mir nach einer Weile auffällt, dass wir nur noch drei Leute sind. Im Verkehrsfunk bringen die nichts über Staus, Unfälle, Geisterfahrer etc., also nehmen wir zu dritt die nur noch gut 80 km in Angriff. Jeder geht durch die Führung, sodass wir nicht einschlafen. Irgendwo Mitte der ersten Runde leitet mich ein Streckenposten falsch und mitten ins Fichtendickicht. Seine oberen Gliedmaßen weisen mir eindeutig den Weg nach rechts, doch der Streckenposten will mir damit sagen, dass es geradeaus bergab geht, ich aber auf der rechten Seite bergab fahren solle. Bloß kapiere ich das erst, als ich im Wald stehe und meine beiden Begleiter geradeaus den Downhill hinab zu einer Holzbrücke in Angriff nehmen. Okay, 180-Grad-Kehrtwende und hinterhergedüst. Im Flachstück fahre ich wieder auf beide auf, einen steilen Berg empor, einen schönen Downhill mit Anliegern hinab, mal kurz Waldautobahn Richtung Catstone, besagten Catstone hinauf, wieder einen schönen Downhill hinab und Richtung Ziel noch mal einen kleinen Anstieg hinauf. Erste Runde ready.

Flasche fassen von Uwe, und auf geht’s in Runde zwei. Wir sind immer noch zu dritt unterwegs, doch dank der ersten Install Lap weiß ich nun, wo die Tücken der Strecke liegen. Nach dem ersten Schlammdownhill der zweiten Runde bin ich plötzlich alleine unterwegs. Geplant war das keineswegs, aber bremsen tue ich deswegen nicht. Das übernimmt etwas später mein rechtes Pedal. Das hängt nämlich nur noch lose im Gewinde herum und eiert. Ich muss absteigen und versuche, das Teil mit der Hand wieder ins Gewinde zu drehen. No way. Zu viel Dreck bei zu geringer Power im Finger. Ich brauche einen 8er Innensechskant, doch so etwas hat man normalerweise nicht im Gepäck. Es dauert nicht lange, da kommt der Zweitplatzierte zu diesem Zeitpunkt, Herr Marcel Teilich aus Wiesbaden, an mir vorbei geschossen. Er hat leider keinen passenden Schlüssel dabei. Nur wenig später kommt der Dritte, Jonas Hummel aus Chemnitz, des Weges daher. Und der hat doch tatsächlich einen 8er Inbus am Start, der Teufelskerl. Im Fahren übergibt er mir sein Minitool, mit dem ich nun krampfhaft versuche, das Pedal zu fixieren. Es geht nicht. Also rausdrehen, Gewinde säubern und mit roher Gewalt wieder reindrehen. Das dauert und dauert, doch es klappt endlich. Schön fest ist es jetzt auch. Weil ich schlau bin, überprüfe ich gleich noch das linke Pedal und ziehe es vorsichtshalber fest. Weiter geht’s nach drei Minuten Pause. Meine beiden Kollegen sind freilich über alle Berge, doch zum Glück sind noch rund 50 km zu fahren. Allerdings muss ich nun den Ladedruck meines alten Turbodiesels etwas erhöhen.
Dieses Mal falle ich nicht auf die Gesten des Streckenpostens herein, der wieder nach rechts in den Wald zeigt. Ich fahre stur geradeaus, und zwar auf der linken Seite! Reiner Protest. The bridge over troubled water is very rutschig, but ich nehme mich in Acht und setze meine Aufholjagd fort. Im ersten der beiden lustigen Downhills halte ich mich nicht an die Richtgeschwindigkeit, meinen Handgelenken allerdings missfällt das. Unten im Blackwatervalley rollt auf einmal Torsten Mützlitz herum, der seit Samstag in Most (CZ) mit einer holländischen Radrennlizenz unterwegs ist. Er trägt keine Startnummer und regeneriert wie neulich in Markersbach. Kurz vor der Auffahrt zum Catstone kommen endlich meine beiden ehemaligen Begleiter ins Blickfeld. Jippie. In der Auffahrt fahre ich auf beide auf, deswegen heißt es ja auch Auffahrt. Das Werkzeug geht mit bestem Dank zurück an den Absender. Zu dritt (viert) zischen wir Richtung Zieldurchfahrt. Zweite Runde ready.

Wieder vermöckelt mich Uwe Bottle hervorragend. Ich mache es ihm nicht leicht. Ich benötige zwei Flaschen und einen Riegel. Uns Uwe hat aber nur zwei Hände. Trotzdem schafft er es mit kurzem Zwischensprint, alle Utensilien dem alten Mann auf dem Bike zur Verfügung zu stellen. Mc Drive für Fortgeschrittene bzw. „advanced verbottling“. Der Riegel wird sofort vertilgt, zumindest versuche ich das krampfhaft.
Mütze, der fliegende Holländer, lässt in der ersten Schlammpassage der Runde gleich mal das Gas stehen. Jonas setzt hinterher, obwohl Mütze außer Konkurrenz fährt, ich setze Jonas hinterher, weil er innerhalb der Konkurrenz fährt, aber Marcel Teilich aus Hessen koppelt ab, obwohl ich innerhalb der Konkurrenz fahre. Wenig später koppelt Jonas ab. Torsten und ich sind nun alleine unterwegs. Keine Sorge, er schiebt mich nicht, er zieht mich nicht, er spendet mir keinerlei Windschatten, was bei seiner Körpergröße auch nicht wirklich funktioniert, wir schmusen auch nicht; er erzählt mir nur Stories vom gestrigen Rennen in Most.
Der Schlamm-Col, wo vorhin mein Pedal den Dienst quittierte, ist jetzt voller Biker. Das macht’s nicht einfach, auf der Ideallinie zu bleiben und gleichzeitig den Fahrern auszuweichen. Zum Glück komme ich ohne abzusteigen durch die Pampe hindurch. Mütze fährt weit vor mir, auf der Drückerpassage verabschiedet er sich gen Heimat, weil er noch Marmelade einkochen muss.
Ich bin wieder allein, den gewieften Streckenposten am Brückendownhill jedoch, den gibt’s noch. Und wieder zeigt er nach rechts. Und wieder fahre ich links! Reiner Protest. The bridge over troubled water still is very rutschig, but ich mache sachte, um nicht vom Bike abzugehen. Flachstück und Gegenanstieg sind schnell abgehakt, der Anliegerdownhill auch, den ich nun mal lieber vorsichtiger fahre. Platten wäre doof. Im Schwarzwassertal komme ich bei noch gutem Puls gefühlt nicht mehr allzu schnell vorwärts, zum Glück muss ich nur noch den Catstone hinauf und kontrolliert Richtung Ziel rollen. Das klappt solide, und ich kann mich seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder über einen Gesamtsieg freuen, auch wenn nicht alles glatt lief. Jonas kommt paar Minuten später als Zweiter ins Ziel, Herr Marcel Teilich aus Hessen weitere paar Minuten später als Dritter. Dritte Runde ready.

Unsere beiden Youngsters Christian und Mike werden in der Gesamtwertung der 60 km Vierter und Vierzehnter, sind aber mit Abstand die Jüngsten im Feld der vorderen Platzierten. Alterspräsident Lars Strehle siegt auf der kurzen 30-km-Distanz. Beim Rollatorrennen hätte es nur einen Sieger gegeben, nämlich mich, so aber haben wir beide alles richtig gemacht.

Als Siegesprämie gibt es mal was ganz Neues: eine doppelläufige 86 cm große Holzbazuka mit massivem Fundament, um den Rückstoß abzudämpfen. Aus Tuninggründen wurde der Bazuka die Rinde abrasiert. Hammer. Meine beiden Katzen haben das Bäumchen schon inspiziert.

Fazit: Übermenschen sind heute auf den 90 km ausnahmsweise keine am Start gewesen, was den Normalmenschen natürlich freut. Nur ein Kettenblatt vorne bei richtig gewählter Größe macht bei so einem Schlammrennen wirklich Spaß, denn Kettenklemmer gibt’s nicht. Das kleine 9er Ritzel funktioniert auch im Modder erstaunlich gut. Ich hatte stets Vortrieb. Limitierend sind nur meine körperlichen Gebrechen, mein enormer Drang nach Kinderschokolade und natürlich mein Pedal. Ohne Jonas hätte ich wirklich alt ausgesehen, also noch älter als sowieso schon. Fürs erste Mal waren Orga und (entschärfte) Strecke trotz aller Umstände top. Weiter so!

Ergebnisse: hier
Next „race“: FRM

3. Runde
(c) by Konzeption SG

Siegerehrung alte Herren mit Bazuka
(c) by Christian Schröder