6 Uhr bimmelt der Handywecker, das
Frühstück und die Morgentoilette gehen zügig vonstatten. Um 7.30 Uhr sind wir
vor Ort im Golfclub Malevil, melden uns völlig unkompliziert an, packen unsere
Rennsachen zusammen und düsen gemeinsam mit Silvio Hauschild zum Start, der um
8.30 Uhr erfolgen soll. Am Start treffen wir „Pitt Brett“ Götze und den leider
kränkelnden Bastian „HDW“ Wauschkuhn, der nur zuschaut und Pitt Brett betreut. Mich
stellt der Veranstalter zu meiner Verwunderung direkt in die erste Startreihe
neben Heizern wie Hannes Genze, Torsten Marx, Jaroslav Kulhavy, Jan Skarnitzel,
Frantisek Rabon und – last but not least – Sebastian „FK“ Stark.
Der Start ist zügig, und die ersten
beiden Wellen kann der alte Mann sogar die Spitze halten. Erst ein Massensturz,
verursacht vermutlich durch Torsten Marx, der auf einem schnellen Feldstück in
eine kaum sichtbare Spurrinne fährt und verkantet, reißt das Feld auseinander.
Felix geht auch zu Boden, FK, Mütze und ich können mit Mühe und Not ausweichen.
Die Gruppen finden sich, ich erwische zu
Beginn eine Fünfergruppe, der ich aber „entfliehen“ kann. Im weiteren
Rennverlauf habe ich einen tschechischen Schatten, der sehr konstantes und
hohes Tempo fährt. Ideal. Auf diese Weise nähern wir uns einer größeren
Verfolgergruppe um Felix Fritzsch, Mütze und einigen Tschechen. Ich glaube
auch, Peter Hermann in der Ferne leuchten zu sehen. Als wir beinahe dran sind
und die ersten Nachzügler einsammeln, schaltet meine Kette mal wieder aufs
elfte Ritzel, obwohl ich nur zehn habe. Grund ist ein Strohhalm, den ich mir
bei der zweiten Verpflegung ums Elferritzel gewickelt habe. Das bedeutet meine
erste ungewollte Pause für heute. Die Kette löst sich leider erst nach
Aufbringung roher Gewalt und gutem Zureden. Ich hieve mich wieder auf den Bock,
setze meinem Tschechen hinterher und komme ihm und anderen Fahrern wie Mütze,
Felix und Co. sukzessive näher. In Oybin kralle ich mir zwei Flaschen auf
einmal am Buffet, stecke eine unters Trikot, die andere trinke ich aus, eine
ist noch halbvoll im Flaschenständer.
Jetzt folgt der härteste Abschnitt des
Rennens, denn es geht nach einigen kniffligen Trails, wo ich um ein Haar über
den Lenker absteige, den Hochwald hinauf. Mitten im Anstieg jedoch macht es
zisch, und siehe da, meinen Reifen hat’s mal wieder aufgeschlitzt auf der
Lauffläche. Es gibt unter den einigen hundert Fahrern sicher nur einen, der
sich bergauf einen Platten fährt: Güldoof. Nun ja, zum zweiten Mal runter vom
Bock und die Kartusche angesetzt, doch es kommt nix. Ich drehe sie richtig fest
ins Gewinde, doch es kommt einfach nix. Was für eine Sch… Erst später daheim
stelle ich mit Entsetzen fest, dass die Kartusche schon benutzt ist. Grandios. Okay,
da muss ich eben die integrierte Pumpe bemühen. Erfreulicherweise reißt beim
Pumpen der Ventilkopf ab und verstopft das Innere meiner Pumpe, es ist aber
fürs Erste ausreichend Luft im Pneu, um bis zum nächsten Support zu kommen, denke
ich blauäugig. Die Milch dichtet das Loch zunächst auch erst mal ab. Nach knapp
zehn Minuten und gefühlten fünfzig Fahrern später setze ich mich wieder auf den
Hobel und fahre weiter den Berg hinauf. Nach hundert Metern zischt mein Reifen erneut,
sodass ich den restlichen Col auf der Felge hochfahre. Ich gehe davon aus, dass
oben auf dem Gipfel jemand eine Standpumpe dabei hat, wo ich fix den noch
vorhandenen Schlauch einziehen kann, doch Fehlanzeige, denn es gibt eine
Streckenänderung. Ich muss mit meinen Stummelbeinchen eine Treppe hinaufrennen,
um gleich darauf in den berüchtigten Downhill den Hochwald hinab zu gehen. Voll
verkalkuliert. Dann rollen wir halt auf der Felge den tückischen Downhill und
ein paar größere Felsabsätze und Spurrinnen hinab. Das tue ich mir und meiner Felge hundert
Meter an, denn es kommt zu meinem Glück ein kreuzendes Flachstück, wo auch ein
Krankenwagen steht, weil’s dort wie gesagt tückisch ist. Hier kann ich gefahrlos anhalten und ziehe in aller
Ruhe den Schlauch ein. Abertausende Pumphübe und wieder gefühlte fünfzig Fahrer
später setze ich meine Bergabfahrt fort und muss einige Fahrer überholen,
die recht behutsam den Col hinabfahren. Unten im Tal an der Verpflegung kralle
ich mir eine neue Flasche, ein Affenkotelett und ein Gel. Die erste Dame, Frau
Irena Berkova, ist inzwischen auch vor mir, verpasst aber ihr Gel, weil sich
der Support dort bissl dusselig anstellt. Weil ich sehr, sehr lieb bin, greife ich mir das Gel und gebe es ihr einige Meter später. Sie bedankt sich sogar auf
Deutsch, aber Telefonnummern tauschen wir heute keine aus. Den folgenden
Downhill gehe ich behutsam an, weil ich hier letztes Jahr zusammen mit einem
Tschechen ins Gebüsch abgetaucht bin und rumgekuschelt habe. Ich komme gut
durch, grüße unten HDW und setze meine Aufholjagd fort.
Bis zum nächsten Col,
der teilweise nur zu Fuß zu bewältigen ist, überhole ich um die zwanzig Fahrer.
Das Wiesentrailstück oben auf dem Col mag ich gar nicht, komme jedoch ganz
solide durch. Die Beine drehen noch gut, sodass ich Fahrer für Fahrer einkassiere,
nur blöderweise geht mein Trinkvorrat zur Neige, und ich sehne den nächsten
Verpflegungspunkt herbei. Gerade noch rechtzeitig kommt er auf dem „Gipfel“
eines weiteren Cols, doch Güldichek bekommt hier nur eine 0,5-Liter-Flasche.
Viel zu wenig für meinen Durst, doch auch mein Betteln hilft nix, denn die
Betreuer verstehen nur Tschechisch. Auf dem flachen Kammstück sammle ich wieder
einige Fahrer ein und ziehe zwei im Windschatten mit, darunter auch Thomas
Peschke vom Team Stein-Bikes. Irgendwann findet sich eine zügige Gruppe, die die
folgenden flachen Kilometer zusammenbleibt. Auf einem Wurzelstück irgendwo im
Forest rund 15 km vorm Ziel knallt es dann auf einmal heftig, und ich klicke bei
zügiger Fahrt aus dem linken Pedal aus. Ich will wieder einklicken, doch es
funktioniert nicht. Genaues Hinsehen bestätigt meine Vermutung: Der Pedalkäfig
ist mal eben abgebrochen, sodass ich nur noch mit einem Bein treten kann, das
andere hat ab sofort Pause. In den holprigen Abfahrten macht sich das gar nicht
gut, weil ich diese mangels Halt im Sitzen herunterfahren muss und mir Sorgen
um die Familienplanung mache. Meine Gruppe ist natürlich auf und davon. Wären
es noch 15 km bergauf gewesen, wäre das nicht so schlimm, aber bergab … auweia.
Irgendwann in Zielnähe nehme ich noch mal ein halbes Feld in meinem Ritzelblock
mit und kann kaum noch schalten. Meine Freude steigt ins Unermessliche. Thomas
Peschke scheint es ähnlich zu gehen, da er am Waldrand steht und sein Ritzel
vom Stroh befreit. Zusammen „schleichen“ wir sprichwörtlich auf dem letzten
Ritzel zum Ziel, wo ich aber mit nur einem Huf nichts ausrichten kann. Am Ende steht
für mich Gesamtrang 46 zu Buche. Gar nicht mal so gut. Mit meiner reinen
Fahrzeit wären die Top 20 drin gewesen und damit die mögliche WM-Qualifikation,
da es sich um ein „UCI World Series“-Rennen handelte – wenn da nicht immer der
Konjunktiv wäre. Sehr, sehr ärgerlich.
Felix und Mütze kommen solide durchs
Rennen und schrammen knapp an den Top 20 vorbei. FK landet noch weiter vorne,
und wäre ihm die Sattelstütze nicht 3 cm in den Rahmen abgetaucht, wer weiß, wo
er da noch gelandet wäre, unser Übermensch. Mit Mütze genieße ich später die Freiluftdusche
mit warmem (!) Wasser, schnabuliere fix Nudeln und Kuchen, danach hauen wir
vier auch schon ab. Diesmal sitze ich ganz vorne, und zwar ohne Stäbchen zu
ziehen, ätsch. Von Dresden aus düse ich sehr zügig nach Chemnitz, wo meine
Frontscheibe zum reinen Insektenfriedhof mutiert. Abends besuche ich noch das Heavy 24 und stelle
fest, dass es in Frauenzelten deutlich besser riecht als in den männlichen. Und
Frauen jammern viel weniger, nehmen‘s lockerer, sehen besser aus und gewinnen
trotzdem. ;-)
Sollten meine neuen Pedale rechtzeitig
eintreffen, ich meine Felge und Reifen in Schuss bringen, so werde ich am
Samstag am Start der MEC 500 stehen. Bis dahin Spocht frei!