Im Pflichtenheft
steht heute die Miriquidi Bike Challenge. Ein an und für sich sehr schönes,
landschaftlich tolles Rennen – wenn es trocken ist. Doch irgendwie schifft’s
hier immer, demzufolge ist der Boden recht
tief, weil schlammig. Dank
der Temperaturen muss meine Klimatronik nicht Volllast fahren, womit
mehr Energie für eine zügige Fortbewegung
bleibt.
Am Start der langen Runde
stehen dieses Jahr zum Glück keine Übermenschen, dennoch trauen sich einige
Heizer, die schon so einige Meriten auf dem Kerbholz haben, auf den langen
Kanten. Bei bestem Landregen und sommerlichen 14°C
geht es Punkt neun Uhr los und hinein in den Wald,
und zwar erst nach 100 Metern – und nicht
direkt nach dem Start, wie es laut Hörensagen wohl ein Protagonist, der früher
wie ein Gestörter Polo fuhr und der mir schon jahrelang auf den Geist geht,
erfolglos versucht hat. Hier bin ich quasi schon komplett eingesaut, zum
Glück habe ich die Brille erst gar nicht mitgenommen. Nach einigen Kilometern
durch Pfützen und Schlamm nimmt Benjamin bzw. Michael bzw. Benjamin Michael auf
dem ersten nennenswerten Bergabstück eine Bodenprobe. Teamkollege Bastian
Wauschkuhn gesellt sich kopfüber unfreiwillig zu ihm und erklärt ihm als
promovierter Geologe bestimmt auch gleich die
Zusammensetzung des Bodens hier im Schlamm von
Marienberg OT Gelobtland. Ich schaffe
es gerade noch so, auszuweichen. Das Missgeschick spült mich direkt an die
Spitze, was in Anbetracht des nun folgenden Morastanstieges gar nicht mal so
unvorteilhaft ist. Oben angekommen, sind wir zunächst drei Leute um Roy Bruns,
Torsten „Mütze“ Mützlitz und mich. Etwas später auf der Schotterpiste gesellt
sich Fahrer Benjamin bzw. Michael bzw. Benjamin Michael zu uns, der seinen
Sturz bestens weggesteckt zu haben scheint. Vorne sind wir natürlich in dieser
Situation auch nicht Knallgas gefahren. Wir vier Leute harmonieren wirklich gut
miteinander, die Führung teilen sich zumeist Roy, Benjamin bzw. Michael bzw.
Benjamin Michael und ich. Torsten auf den Geraden vorne fahren zu lassen, ist
völlig sinnbefreit, weil er quasi null Windschatten bietet. Bergab rollt mein Bike ganz brauchbar, bergauf eigentlich auch, wenn der Fahrer
nicht so fett wäre. Trotzdem bin ich weiterhin Bestandteil der Spitzengruppe.
Selbst ein Verfahren bringt uns nicht aus der Ruhe. Da hat nämlich jemand
vergessen, ein Absperrband zu entfernen, was unsere Gruppe veranlasst,
geradeaus zu stechen statt links den Berg
runter. Ein kurzer Gruppenchat bringt uns zu der einstimmigen Erkenntnis, dann doch umzukehren, nachdem ich vorne die
Strecke ausgekundschaftet habe. Kein Band mehr, nüscht, also Kehrtwende, die entgegenkommenden Fahrer respektvoll grüßen und den Berg
runter. Gute Entscheidung. Unten im Schwarzwassertal geben wir den Ordnern Bescheid, doch bitte oben das Absperrband zu entfernen, da sonst die
Hälfte der Leute in Tschechien rauskommt. Außer der gestörte Ex-Polofahrer, der kurvt vermutlich schon in
Polen rum. Den Katzenstein hinauf darf ich in Runde eins das Tempo
vorgeben. Auch auf den Schottergeraden bleibe ich vorne, nicht, weil ich so einen Druck habe, sondern weil ich so deutlich mehr sehe ohne Brille und nichts in die
Augen bekomme. Es folgt der letzte flowige Downhill, bevor es bergauf Richtung
Zielnähe und nach einem ruppigen Wurzeltrail durch die Zieldurchfahrt geht.
Mein Campingtisch, der schon letztes Jahr gute
Dienste leistete, verbottelt nicht nur mich, sondern auch Mütze.
In Runde zwei wird es jetzt
richtig schlammig. Immer noch zu viert holpern wir uns dem Morastanstieg
entgegen. Hier hat Benjamin bzw. Michael bzw. Benjamin Michael Probleme, das
Tempo zu halten. Er ist für die schlammigen Anstiege zu schwer, sagt er, dafür
drückt er sich wieder auf der langen Geraden heran. Am etwas später folgenden
steileren Anstieg hat Mütze Sorgen, unser Tempo zu halten. Bei mir läuft der
Motor zum Glück noch im Sollbereich. Mütze macht es etwas später wie Benjamin
bzw. Michael bzw. Benjamin Michael und drückt sich im Flachstück wieder heran.
Die Freude darüber ist nur von kürzerer Dauer, denn zum Katzenstein hinauf
koppeln wir ihn gänzlich ab. Außerdem muss er mal aufs Klo und geht pinkeln,
später ein zweites Mal. Pionierblase. Zu dritt beenden wir Runde zwei, wo ich
mich noch mal ordentlich mit Gels und Getränken von meinem Tisch eindecke. Es
ist nicht selbstverständlich, dass die Flaschen und Gels so unbehütet dort
rumliegen können, deswegen vielen Dank an die fairen Sportler, das für mich –
und für Torsten – wirklich notwendige Zeug dort zu lassen, wo es ist.
Durch die kurze Standpause
handle ich mir einen kleinen Rückstand ein, den ich aber im Wald zum Glück
wieder zufahren kann. Blöd wird es erneut an dieser ollen Schlüsselstelle, dem
morastigen Uphill. Zum Glück komme ich ihn empor, ohne vom Hobel zu müssen,
denn ein Ausklicken bei dem Schlamm kann bedeuten, überhaupt nicht mehr ins Pedal zu
kommen. Die Drückergerade darf ich meistens von vorne fahren, unterstützt von
Roy Bruns, Benjamin bzw. Michael bzw. Benjamin Michael übernimmt die Führung im
Downhill, wo es mich um ein Haar legt, als ein zu Überholender in meine Spur
zieht. Das war knapp. Am darauffolgenden Mütze-Gedächtnis-Anstieg geht bei mir
der Motor nun auch in Richtung Standgas,
ich habe eine kleine, aber nachhaltige Energiekrise. Roy Black und Ghostrider Benjamin bzw. Michael bzw.
Benjamin Michael enteilen mir doch tatsächlich, während ich versuche,
nicht in Panik zu verfallen und mein Tempo erst einmal durchzufahren. Oben, wo
ich wieder etwas Luft holen kann, tanke ich mal vorsichtshalber paar flüssige Kohlenhydrate. Die zwei vorne sind
weg, nun sogar außer Sichtweite. Schlecht. Bergab fahre ich, was geht bei dem
Schlamm, um etwas Zeit gutzumachen; den
Katzenstein rauf spüre ich, dass der Motor wieder etwas besser Gas annimmt. Den
letzten schönen Downhill, der wie meistens vor dem letzten schönen Uphill
kommt, genieße ich in vollen Zügen und lasse es wieder kontrolliert fliegen,
sofern man überhaupt von Kontrolle sprechen kann. Unten angekommen, sehe ich
auf einmal wieder den guten, alten Roy. Etwas später am „Feldberg“ schließe ich
auf und frage, was los sei. Er meint, er sei blau gegangen, als er versucht
hat, an Benjamin bzw. Michael bzw. Benjamin
Michael dranzubleiben. Ich biete ihm Verpflegung an, doch Roy, ganz Mann,
verneint. „Es ist nicht mehr weit bis ins Ziel.“ Recht hat er, dennoch muss ich
mich jetzt nach vorne verabschieden, denn der Diesel läuft wieder ziemlich gut.
Den Zielsprint gewinne ich hauchdünn gegen meinen eigenen Schatten, und ich
kann mich über Gesamtrang zwei freuen. Deutlich mehr, als ich erwartet hatte.
Zum Glück war es nass und kalt. ;) Roy wird ungefährdeter Dritter vor meinen
Teamkollegen Mike Baumann und Bastian Wauschkuhn. Mütze wird mit seiner
Pionierblase direkt hinter BW Sechster.
Leider gibt es nur einen
Kärcher für die vielen Starter, sodass mein Rad nur eine Katzenwäsche von Hand
erhält, sonst würde ich eventuell heute noch anstehen. Zum Glück sind die
Duschen schön warm. Nach der Siegerehrung geht’s heim, aber nicht, ohne dem
Rico Lasseck, der alten Schabracke, vielen Dank zu sagen für die in Silberfolie
eingewickelte Pflanze in meinem Scheibenwischer. Ja, er liebt mich in der Tat,
der Rico. Der gestörte Ex-Polofahrer seinerseits wurde in der Zwischenzeit in
Aserbeidschan gesichtet …
Bis denne!
Ergebnisse: hier.
Siegerehrung 90 km |
etwas dreckig, aber heile |
André Meyer, der gestörte Ex-Polofahrer, auf dem Weg nach Aserbeidschan |