Bis Freitag, 19 Uhr, habe ich am lädierten
Bike geschraubt; unter der Woche werkelte auch der kleinwüchsige, Pizza
vernichtende Chefmechaniker Matthias Müller an Scotti herum, der dafür sogar
seine Freizeit opferte und auf seine Lieblingssendung, den Sandmann,
verzichtete. Zum Glück gibt es aber die MDR-Mediathek. Ohne wirklich Probe zu fahren, wird es demzufolge eine Fahrt ins
Blaue.
Seit Wochen steht der Wecker auf halb
sieben – so auch am heutigen Samstag. Ich bin trotz einiger Umwege sehr
pünktlich vor Ort in Eierstock, hole zusammen mit Immanuel „FKJ“ Stark die
Startunterlagen fürs ganze Team, baue noch bissl am Bike rum, merke, dass ich
mein Trikot verlegt habe, borge mir eins von Sebastian „FK“ Stark, schließe die
RSV-Allzweckwaffe Sören Grimmer fest in mein Herz, als sie bzw. er mir auf der
Latrine mit seinen Tempotaschentüchern sprichwörtlich den Arsch rettet, fahre
mich bissl warm, stelle mich an den Start, und schon geht’s los.
Zu Beginn des langen ersten
Schotteranstieges ist das Tempo noch erträglich, erst weiter oben, als FKJ
Führung fährt, tut’s ordentlich weh. Der Speed ist hoch genug, um die
Führungsgruppe auf fünf Helden in Radhosen zu reduzieren: vier TBR’ler (FK,
FKJ, HDW, Güldi) und Triathlet Enrico Knobloch. An der Asphaltrampe in
Carlsfeld meldet Bastian „HDW“ Wauschkuhn erste Probleme mit seinen Keulen an,
während FK sich noch unterhalten kann. HDW sieht schon am helllichten Tage die Sterne,
und ich bin kurz davor, in Schnappatmung zu verfallen. Wir nehmen zum Glück kurz
raus und kommen gemeinsam am „Schleimsupport“ an der Staumauer Carlsfeld an. In
den Flachpassagen bis zum Col de Auers gehen wir allesamt durch die Führung und
halten das Tempo recht hoch. Zur Bergprämie hinauf auf den Gipfel des Col de
Auers lassen die FKs wieder das Gas stehen, ich bleibe mit Mühe dran, HDW und Enrico
Knobloch büßen einige Meter ein. An der Bergwertung will keiner von uns dreien
Verantwortung übernehmen; zum Stäbchenziehen kommen wir nicht, also geht es
Rad an Rad über die Bergprämie – blöd für den Herren am Zielstrich, aber gut
für uns. Zum Glück hat der Veranstalter exakt dort eine hochauflösende
Highspeed-Kamera installiert, die später einen 20-mm-Vorsprung zu Gunsten des
Dönerverkäufers diagnostiziert, wie sich später bei der Siegerehrung im
Festzelt herausstellt. Mein Gewissen ist schlecht, doch der Fresskorb, den ich
mir nach 11 Jahren mal wieder einheimse, wird natürlich untereinander
aufgeteilt. Unsere Laura „LH“ Hoffmüller gewinnt denselben bei den Damen, womit
wir reichlich verköstigt werden.
Bergab rollt unsere Fünfergruppe wieder
zusammen und mal gemütlich, mal sehr zügig über diverse Forststraßen zum zweiten
Mal den Col de Auers hinauf. Hier drehen beide FKs erneut etwas mehr am Gas und
können einige Meter enteilen. Oben kann ich mit HDW und Enrico im Schlepptau
wieder aufschließen, weil das FK-Duo vorne nicht durchzieht. Zum zweiten Mal
greifen wir auch unsere Flaschen von Steffi „MdFK“ Stark und Florentine
Wauschkuhn, die noch keinen teaminternen Spitznamen hat. Bergab müssen wir
Slalom fahren, weil wir die Fahrer der 50-km-Runde einholen. Irgendwo hier holt
sich Enrico einen Plattfuß, sodass wir jetzt zu viert ein Teamzeitfahren
veranstalten können. Das Überholen der vielen Biker auf den Flachpassagen hält
an und ist manchmal nicht ganz ungefährlich, weil der eine oder andere seine
Spur nicht hält. Bergab Richtung Talsperre Sosa rollt uns HDW auf und davon,
ohne auch nur einmal in die Pedale zu treten. Wir Leichtgewichte hinten haben
zu tun, dranzubleiben. FK kurbelt auch fleißig und legt nach einer schlecht
sichtbaren Bodenwelle einen heftigen Quersteher hin bei Highspeed. FKJ und ich
haben ihn eigentlich schon zwischen den Fichten hängen sehen. HDW schiebt
übrigens seine Bergab-Performance auf seine hohe Schwungmasse. Im Flachstück
vor der Staumauer überholen wir Sponsor und OdFK Steffen Werner, bespaßen ihn, schieben ihn bissl an und ballern kurz darauf weiter über die Talsperre Sosa
und bergab zum Blauenthaler Wasserfall. Dort empor staut sich’s ganz beachtlich
und oft quer zur Fahrtrichtung fahrend, kommen wir oben wider Erwarten alle heile an und
pressen weiter in Richtung Straßenquerung Wolfsgrün. FK bolzt dort auf der
Straße nach Neidhartsthal derart Führung, dass es mir fast die Tränen in die Augen
zaubert. HDW stöhnt auch wegen des hohen Tempos, bevor wir über die
Eibenstocker Talsperre düsen. HDW koppeln wir ungewollt etwas ab den kurzen
Anstieg hinauf, lassen ihn natürlich nicht im Stich und wieder ranfahren. Zu
viert gleiten wir zügig Richtung B283, wo TdFK Katja Werner nun die logistisch
anspruchsvolle Aufgabe hat, mit zwei Händen vier Fahrer gleichzeitig zu
verbotteln. Schon aus der Ferne winke ich ihr zu, damit sie sich psychisch
drauf einstellen kann, gleich extrem gefordert zu werden. Es klappt alles
bestens, jeder grabscht seine Bottle, weil wir aufeinander Rücksicht nehmen.
Wie schon im Vorjahr versuchen uns die
Streckenposten in die falsche Richtung und direkt zum Ziel zu leiten. FK meint
sogar, den damaligen Übeltäter und „Falschwegweiser“ (Stichwort: rote Nase) wiederzuerkennen,
doch drauf reinfallen tun wir und insbesondere beide Flaschenkläue heute nicht,
und biegen knallhart entgegen aller Widerstände rechts auf die Hauptstraße in
den letzten 30 km langen Rundenabschnitt der 100-km-Runde ab. FK, FKJ und ich
bolzen Tempo, HDW darf sich erholen. Es wird noch mal heikel, als wir ein
schlingerndes 5-Mann-Tandem überholen müssen. Was es hier zu suchen hat, bleibt
sein Geheimnis. FKJ kommt solide vorbei, bei mir wird’s knapp mit der
Streckenbegrenzung linker Hand, und FK ballert um ein Haar ins Straßenschild
rein. Gar nicht mal so unknapp und nicht auszumalen, wie das Straßenschild danach ausgesehen hätte. Der fiese Anstieg im folgenden Waldstück fordert
insbesondere von HDW größte Überwindung, doch wir helfen ihm rüber, sodass wir
auf den sich anschließenden Flachpassagen bis zum Col de Wauwau zusammenbleiben
können. FK und ich fahren Führung und halten das Tempo oben, FKJ passt auf HDW
auf. Auch den Col de Wauwau hoch motivieren wir Bastian nach besten
Möglichkeiten und erreichen die Kuppe zu viert. Jetzt kommen nur noch zwei
nennenswerte Cols. Am Anstieg von der Eibenstocker Staumauer hoch in den Wald,
den wir heute zum zweiten Mal fahren, müssen wir HDW nun zurücklassen, aber es
ist nicht mehr weit bis ins Ziel. In einer schnellen Rechtskurve auf dem Weg
zum selbigen nehme ich um ein Haar eine rumstehende SUDFJAD mit, die mitten auf
der Piste Statist spielt. Ich erlöse sie schlagartig aus ihrer Lethargie, und mit
einem beherzten Sprung rettet sich die Dame nach links in die Böschung.
Die letzten Kilometer wechseln wir uns
fein ab, und am Ende fahre ich beiden Flaschenkläuen symbolisch den Bergsprint an,
denn es geht um den Gesamtsieg im WEB-Cup. Beide sind punktgleich, mein dritter
Platz ist mir schon sicher. Jedoch kurz bevor der Bergsprint beginnt, steht
auf einmal ein echtes Pferd vor uns. Die Streckenposten, die uns vorhin falsch leiten wollten, haben es sicher übersehen. Ist
ja auch nicht so groß, so ein Tier. Jedenfalls umkurven wir das Huftier und
hoffen, dass nicht auch noch Winnetou aufkreuzt. Dann treten beide FKs drauf
samt Kondensstreifen – ein Gemetzel unter Blutsbrüdern ohne Rücksicht auf
Verluste. Da werden schnell mal 450 Watt locker gemacht – nach 100 km, versteht
sich. Hier bin ich aus dem Spiel und kann einigermaßen entspannt vorbei an der Pferdekoppel
und am Parkplatz ins Stadion einbiegen und Dritter werden. Wenig später
erreicht HDW als Vierter das Ziel. Damit schaffen wir es zum ersten Mal
überhaupt, vier Teamfahrer unter den Top-4 zu platzieren. Und dass Laura die
Gesamtwertung bei den Damen mit 47 min bzw. umgerechnet ca. 20 km Vorsprung gewinnt und unter vier Stunden bleibt, rundet das
Ganze ab.
Was folgt, ist eine TBR-Siesta auf dem
Kunstrasen im Stadion, geduscht natürlich. Wir aalen uns in der Sonne, zumindest
solange sie scheint, während SchwadFK André Fischer mal wieder den Halbmarathon
der Läufer gewinnt. Wenig später eilt Nichtversicherungsmaklerin Sandra Kaiser
aus dem Festzelt herbei, um uns mitzuteilen, dass bereits die Prämierung der
Bergwertung läuft. LH und ich schaffen es rechtzeitig, um mit Waldmeister
Heinke, dem Bergkönig der 50 km, die beiden Fresskörbe in Empfang zu nehmen.
Zum Dank erhält Frau Kaiser ein Glas Bockwurst aus meinem Fresskorb. Das andere
Glas gehört natürlich ganz obligatorisch dem Bratwurstvernichter FK, auch wenn
es sich wie gesagt nur um Bockwürste handelt.
Unsere eigentlichen Siegerehrungen gehen
dank neuer Organisation sehr zügig, am Ende warten wir nur noch auf die
Gesamtwertung des WEB-Cups … und warten und warten. Da sich nichts tut, fragen
wir vorsichtshalber mal nach. Das Erstaunliche: Der WEB-Cup wurde mitten in der
Saison wegrationalisiert, weil sich die austragenden Vereine nicht allzu grün
sind, was die Finanzierung angeht. Schade, dass das alles hinter dem Rücken der
Sportler ausgetragen wird und wir überhaupt nicht informiert waren. Besonders
ärgert sich FKJ, der am Folgetag noch das Straßenrennen in Sebnitz bestreiten
möchte und nur 30 oder 50 km gefahren wäre, hätte er von der Sache gewusst.
Macht aber nix, er gewinnt das Rennen am Sonntag trotz der heutigen
Vorbelastung. Also für alle, die 2015 das Podium im Visier haben: Den WEB-Cup
gibt es nicht mehr. Da können wir in Eierstock ja auch auf die Mittelstrecke
wechseln. ;-)
So, noch ein Rennen, dann ist Feierabend
für diese Saison. Der Rücken, der heute erstaunlicherweise durchhielt, wird’s
mir danken. Bis bald.
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Gesamtwertung (C) by Marathonverein Eibenstock |