Viel los ist noch nicht auf dem
Parkplatz, keine Schlange an der Anmeldung, alle Dixiklos zu meiner alleinigen Verfügung.
Wahnsinn. Unserem Team-Co-Sponsor Steffen „OdFK“ Werner übergebe ich meine fünf
Bottles, begrüße natürlich höflichst beide Flaschenkläue und unsere Laura,
fahre mich ein wenig warm und warte entspannt auf den Start. Viel mehr als
zwanzig Leute wollen sich die lange Strecke von (echten) 96 km heute jedoch
nicht antun.
Kurz nach neun geht’s los, und bis zur
Schanze bleiben wir drei TBR’ler und Sebastian Ortmann zusammen, dann erdreisten sich FK
und FKJ, das Gas stehenzulassen, obwohl FKJ schon eine ordentliche Vorbelastung von 157
Straßenrennkilometern in den Hufen hat vom Vortag. Hut ab. Normalerweise müsste
nun Robodoc hinterherfahren, tut er jedoch nicht. Ich sowieso nicht, was meinem
Herz-Kreislauf-System sicher zugutekommt. Hot Doc und ich sind nun zu zweit und
zusammen 77 Jahre alt. Beide FKs vorne ziehen auf und davon, auf Biegen und
Brechen wieder ranzufahren, wäre mein sicherer Tod und taktisch äußerst
ungeschickt mit Hot Doc im Schlepptau.
Die Abfahrt von den Gripstones ist recht
schlammig, aber noch relativ gut fahrbar. Blöderweise war ich am Vortag etwas
zu penibel beim Einstellen meines unteren Schaltanschlages, sodass mir von
Anfang an mein 11er Ritzel fehlt. Auch mein Pulsgurt hat’s hinter sich und
zeigt permanente Deadline an. Schlecht für die Renneinteilung. Dr. O und ich
rollen in Eintracht zum Ana Mare hinauf und etwas später in den zweiten
Rundenabschnitt, der auch ordentlich unter Schlamm steht, wenn man mal die
Waldautobahnen außen vor lässt. Irgendwo mitten im Forest bemerke ich auf
einmal, dass Dr. O von meinem Hinterrad verschwunden ist. Keine Ahnung, was
passiert ist, also fahre ich zunächst alleine weiter. Mein Rücken meldet sich
spätestens auf der Wurzelpassage am Fernsehturm so richtig, trotzdem bummle ich
nicht rum. Aufgrund von Forstarbeiten und übermäßiger Verschlammung hat Andreas
Fischer hier die Strecke ändern müssen, so dass es etwas anders als gewohnt
Richtung Rollskistrecke geht. Der Downhill lässt sich solide fahren, doch die
ollen Wurzeln oben im Wald machen mir wieder zu schaffen. Auch in Richtung Ziel
gibt es eine Streckenänderung, und wir fahren am Feld vorbei, um kurz vor der
Straße über eine verschlammte Wiese parallel zur Straße gänzlich unsere Körner
aus den Waden saugen zu lassen. Was für eine Gummipampe. Schnell ein Gel
gegriffen am Streckensupport, und schon geht es erneut über einen Wurzeltrail
am Stadion hoch zum Ana Mare. Steffen verbottelt mich und gibt mir den
Rückstand auf die Flaschenkläue und den Vorsprung auf Platz vier durch. Alles
im Lot.
Die zweite Runde beginne ich zügig, doch
mittlerweile dürften die Bremsbeläge hinten über den Jordan gegangen sein, wenn
man die Bremsleistung in Relation zum Zug am Bremshebel setzt. Egal, habe ja
noch eine Vorderbremse. Das 11er Ritzel will noch immer nicht, also heißt es
leiern, leiern, leiern. Das zweite Mal die Gripstones hinab schlittert es schon
etwas mehr, weil nun schon ein paar
hundert Fahrer den Weg nach unten gesucht und offensichtlich auch gefunden
haben. Es klebt keiner am Baum. Die Steilrampe kann ich noch problemlos mit dem
„großen“ Blatt drücken und komme paar Minuten später oben am Bad beim OdFK an,
der unser Team heute astrein und bei saumäßigem Wetter verbottelt. Der zweite
Rundenabschnitt nach der Straße beginnt gleich mit einem Crash, als mir ein Halbwüchsiger
mit seinem Rad ausgerechnet auf dem engen Huckel direkt an der Straße in die
Parade fährt und ich in den Graben abbiegen muss. So ein Flatus Maximus. Ich
fluche wie ein Rohrspatz und setze meine Fahrt mit gehörig Wut im Bauch fort.
Den zweiten Rundenabschnitt mag ich als
Zwerg nicht besonders, weil mir hier schlichtweg die Wattzahl fehlt. Die
Wurzelpassagen tun meinem Rücken wieder besonders gut, aber da hilft kein Jammern,
sondern nur eine ordentliche Physio. Und so langsam wird’s zäh bei mir. Keine
Ahnung, wie mein Puls ist, der geht ja bekanntlich heute nicht.
Zu meiner Verwunderung hat sich der
Abstand zu Beginn der dritten Schleife nach vorne nicht vergrößert, obwohl’s
bei mir gerade etwas in die Binsen geht. Die Greifensteine hoch und in die
Abfahrt wieder hinab bereiten mir nicht das allergrößte Vergnügen, aber solange
ich noch mit dem Blättchen die Rampe hochkomme, wird’s schon gehen. Oben am Ana
Mare jedoch kommt Robodoc von hinten aufgefahren. Er ließ vorhin reißen, weil
sein Hinterrad aus der Halterung rutschte und er es fix nachspannen musste.
Wenig später schließt die Spitze der 60-km-Runde in Form des Waldmeisters
Sascha Heinke zu uns auf. Robodoc bleibt mit Mühe dran, meine Messe ist
gelesen. Ich bin so ziemlich im Arsch, und zwar genau an der Campinglatrine im
Wald kurz nach dem Pfützen- und Schlammlochgaudi. Sascha und Hot Doc muss ich
ziehen lassen, schlürfe mal eben noch ein Gel, in der Hoffnung, dass der Turbo
zündet, doch passieren tut erst mal nix. Paar Minuten später überholt mich Udo
Müller, der Zweite der 60 km. Hier kann ich wenigstens gut einen Kilometer im
Windschatten mitfahren, bis es mir auch hier zu schnell wird. Ärgerlich. Die
Beine sind weich wie Gummi. Das Gebummel geht weiter bis hin zur Rollskistrecke
und den Gegenanstieg hoch, wo ich beinahe völlig die Hufe hochnehme. Hier überholt
mich noch Bret Janschneider, der Dritte der 60 km, den ich jedoch zu meiner
Freude viele Kilometer vorher hinter mir in Sichtweite lassen konnte trotz
besserem Standgas. Jetzt muss ich nur noch meine Lieblingswurzeln und das
Gummifeld überleben. Das gelingt mir, aber im Ziel bin ich völlig breit und
kaum noch auszumachen unter meiner Schlammpackung. Am Rad hat auf den ersten
Blick zunächst alles gehalten wider Erwarten, doch der zweite Blick daheim wird
mir das Entsetzen ins Gesicht zaubern.
Sebastian Stark siegt vor seinem Bruder
Immanuel, Dr. O wird Dritter, ich rette noch Platz vier ins Ziel. Laura wird
Zehnte bei den Männern, X-Man Norman Dreizehnter bzw. erster in der Terminator-Wertung. Pitt Brett kämpft sich auf
Rang acht der Mitteldistanz ins Ziel.
Das Kärchern meiner Schlammreuse
übernimmt dankenswerter Weise Andy Berger und nicht Andy Borg für mich, sodass ich
mich zitternd vor Kälte ins Ana Mare unter die Dusche rette. Paar Minuten
später stehe ich quasi alleine unter der Brause, weil eine engagierte
Bademeisterin die (nackten) Männer aus der Dusche scheucht, weil sie diese
kärchern will, die Dusche, versteht sich. Prüde ist die Blondine ganz sicher
nicht.
Erwärmt und nun auch durch Kuchen,
Weintrauben und Schokolade vom Stand des RSV Erzgebirge gestärkt, geht’s für
mich ins Zelt zur anstehenden Siegerehrung. Kurz vorher lasse ich mich als gute
Tat für heute als möglichen Stammzellenspender testen, doch als Dank rammt mir
ein Knirps mit seinem Kinderrad sein rechtes Pedal in mein rechtes Schienbein
und bringt die Sitzbank zu Fall. Tumultartige Szenen.
Die Siegerehrung geht recht fix über die
Bühne, und wie es sich gehört, wird die Langstrecke zuerst prämiert. Vorteil
ist, dass man sich zuerst seine Preise aussuchen darf und das Zelt noch gefüllt
ist. Und nur deswegen fahre ich ja auch Langstrecke. ;-) Ich greife ein
brauchbares Funktions-T-Shirt ab. Obendrein gibt es einen vernünftig dotierten
Gutschein meines Hauptsponsors TBR. Halb fünf nach der letzten
Ehrung und Danksagung an die Hilfskräfte, die bei dem Sauwetter beste Arbeit
geleistet haben, ist dann Schicht im Schacht. Dennoch rammt mir beim Verlassen
des Zeltes derselbe Steppke wie vorhin erneut sein Pedal ins Schienbein,
diesmal sein linkes in mein linkes. Dem scheint das räumliche
Sehen zu fehlen.
Zuhause angekommen, schaue ich mir im
Keller gleich mein gereinigtes Bike etwas genauer an und muss konsternieren,
dass ich keine Bremsen mehr habe bzw. dass die abgeschliffenen Trägerplatten
als Bremsklötze fungieren und zumindest hinten die Bremsscheibe ruiniert haben.
Des Weiteren ist der Kolben hinten fest, womit die Trägerplatte somit permanent
und ganz beachtlich während des Rennens an der Scheibe schleifte. Ich vermute,
das ist auch ein Grund, wieso es mir den Stecker gezogen hat. Kette, Ritzel, Schalt- und Spannröllchen sind ebenfalls hinüber. Wie bei Facebook
schon geäußert, hat mich eine Runde im Schnitt 133 EUR gekostet. Blöd, wenn man
drei Runden fahren muss, um in die Wertung zu kommen. Was tut man nicht alles
für sein Hobby …
Jetzt heißt es, ganz fix neue Teile
ranzubekommen und das Bike wieder fahrtüchtig zu machen, um am Samstag startklar zu sein beim DTM. Passt in der
Zwischenzeit auf eure Schienbeine auf!
(C) by Dirk Kersken |
2 Kommentare:
Da wirst du dir mal von dem Gutschein ein TBR Fully für deinen Rücken gönnen müssen. :-)
Dann bin ich ja nicht der Einzige, dessen Bremse den Geist aufgegeben hatte. :D Ich hab noch 0,2mm Trägerplatte vorn. Der verkanteten Bremskolben hat bei mir ebenfalls für eine konstant warme Bremsscheibe gesorgt.
Kommentar veröffentlichen