Wetter? Passt.
Pünktlichkeit? Passt. Form? Nächste Frage bitte. Schlaf? Halt die Fresse! Das
übliche Geplänkel spare ich mal aus, weil nichts Erwähnenswertes passiert im
Vorfeld. Fast nicht.
Um elf setzt sich
das Feld bei bestem Wetter in Bewegung. Trotz meines Alters darf ich im Startblock ganz vorne stehen. Sicher bloß Mitleid. Am ersten
Col zum Oberbecken rauf wird gleich scharf geschossen. Zu scharf, wie ich
persönlich finde. Der Kopf sagt Ja, der Körper Nein. Ich werde schön
durchgereicht, kann mich auf der Abfahrt zum Ephraimhaus aber wieder in die
Spitze der wohlgemerkt zweiten Gruppe fahren. Das Ganze hat Bestand bis zum
Fuße des Anstieges called Friedrichsbachweg. Da spätestens bin ich alleine und
werde weiter durchgereicht. Der Anschluss nach vorne geht flöten, ich dümple
auf Platz 18 herum. Die beiden Wellen und die lange Gerade der Altpöhlaer
Straße tragen auch nicht dazu bei, zwingend näher an die Leute vor mir
heranzukommen. Wenn du zwergwüchsig bist, Gegenwind hast und eh nicht viel
zusammenläuft, hast du dort die Huddelei. Leider bin ich zwergwüchsig, habe
Gegenwind, und es läuft eh nicht viel zusammen. Da ist sie, die Huddelei. Die
Meter nach vorne gehen flöten, die Meter nach hinten auf die Verfolger werden
weniger. Etwas später am Col de Fichtel verbottelt mich die wahrhaftige Modder meines
Ziehsohns Christian, der sich erdreistete, mir zu Beginn einfach davonzufahren. Ich habe Glück, dass die Ziehsohnmodder noch da und nicht schon abgereist ist,
weil keiner mehr kommt. Mein ganzes Team erdreistet sich, mir davonzufahren.
Die haben einfach keinen Respekt. Selbst Drei-Meter-Greis Lars nicht.
Skandalös. Er fährt heute genauso viel Bar im Hinterreifen, wie er Meter groß
ist. Er steht auf Schmerzen.
Dafür rollt es
bergab bei mir ganz gut. Zu gut. Ich verpasse massivst den richtigen Bremspunkt.
Bei rund 90 km/h und damit nahe der Schallmauer sollte man den Anker etwas
früher werfen, besonders auf Schotter … Jedenfalls ist die lange Bremsspur, die geradeaus in den Wald führt, von
mir, falls sich jemand gewundert haben sollte. Eine Box, um den Bremsplatten
durch Reifenwechsel vergessen zu machen, ist ausgerechnet hier nicht in der
Nähe. Also rolle ich weiter bergab, was die mickrige 38/11-Übersetzung hergibt.
Knoten in den Beinen inklusive. Wieso hat der Depp nur ein 11er Ritzel? Das
gab's doch früher mal bei 10-fach-Kassetten? Korrekt. Aber es ist auch nicht
mein eigenes Rad, sondern das unseres Medizinballs mit Ohren namens Laura Hoffmüller. FK 3.0 steht in den Startlöchern. Mein eigenes Rad „Scotti“ derweil
dringt seit einer Woche in Gebiete Polens oder Russlands oder Rumäniens oder
Aserbaidschans oder der Ukraine vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Bis
auf die Diebe freilich. Nach Querung der Brücke am Prinzenweg holen mich zwei
weitere Fahrer ein, einer davon mit und einer ohne Bart. Warum sage ich das?
Damit der Rennbericht auf eine Anzahl von rund 600 Wörtern kommt. Beide Leute
bleiben mir bis zum Ziel treu und spenden mir hin und wieder auch Windschatten. Im
Zielanstieg teste ich im Wiegetritt ein letztes Mal für heute die Stabilität
von Lauras Rad und fahre als sensationeller Achtzehnter mit gerade mal elf
Minuten Rückstand zur Spitze (FK vor 60-km-Felix und dem Ziehsohn) ins Ziel.
Okay, das Rad war unterwegs etwas zickig, und ich konnte es nicht wirklich
einfahren, aber rollen tut's trotzdem. Der kleine, dicke Junge aus
Karl-Marx-Stadt fand heute nicht statt. Aber irgendwann werde ich auch mal
wieder mehr als sechs Stunden Schlaf pro Nacht finden, weniger müde und dadurch
um einiges fitter sein. Ich bin da grenzenlos optimistisch.
Bis zum nächsten
Mal – dann hoffentlich mit eigenem Rad.