Nach einem kurzen Umweg zu den Eltern, um die Trinkflaschen
abzugeben, schlage ich kurz nach neun in Adelsmountain, direkt vor den Toren
Karl-Marx-Stadts, auf. Die Anmeldung geht ganz fix. Es gibt sogar einen schicken
Rucksack. Bloß, was haben die mit der armen Frau gemacht, die die
Startunterlagen austeilt? Sie hat als Kind sicher Wachstumshormone erhalten
oder war beim Tauziehen immer das Seil. Das dürften um die zwei Meter
Körpergröße sein. Ich habe noch nie so eine große Frau gesehen. Die SG
Adelsberg musste extra wegen ihr längere Zeltstangen besorgen, um das
Zelt auf eine adäquate Höhe zu hieven. Da bekommt man als 1,75 m kleiner Mann richtige Komplexe. Ich weiß jetzt allerdings nicht, wie es Torsten Mützlitz
ergangen ist, der ja noch schlimmer dran ist. In der Startaufstellung
jedenfalls lässt er sich nichts anmerken.
Nach kurzem, intensivem Warmfahren, jedoch begleitet mit disziplinarischen
Aussetzern des Herrn Rico Lasseck, der alten Schabracke, die mich mit Pferdekot
bewirft und mir Kusshände zusendet, stelle ich mich wieder vorne rein in die
Startaufstellung. Ich darf das, weil ich lieb bin.
Es könnte alles so entspannt losgehen, wenn es Ronald Oehme
nicht gäbe. Denn der muss mich unbedingt darauf hinweisen, dass ich zwar 'ne
Kopfbedeckung trage, nur halt leider keinen Helm. Ist mir auch noch nicht
passiert in meinen knapp fünfzig Jahren Radspocht. Es sind noch zwei Minuten
Zeit bis zum Start, zu Fuß kämpfe ich mich durchs 2000 Mann starke Starterfeld.
Da ist es blöd, wenn man ganz vorne steht. Ich renne zum Auto, hole den Helm,
das Auto schließt nicht, scheiß Elektronik, doch, jetzt schließt es, geile
Elektronik, und sprinte mit Helm zurück zu meinem Bike. Der Starter wartet
netterweise auf mich. Gracias! Durch diese Aktion bin ich jedoch ganz schön eingekeilt beim neutralisierten Start. Selber schuld. Vorne wird natürlich gut angegast.
Ich bin viel zu weit weg vom Geschehen, das ist aber nichts Neues.
Irgendwann bilden sich die Grüppchen. Ich fahre – mal wieder
– mit meinem Teamkollegen Mike Baumann zusammen, den Alterskollegen Bastian
„Die Bestie“ Stephan und Eric Hassmann sowie ein paar anderen Heinis, die
teilweise Staffel und nur eine Runde fahren. Kontrollierte Defensive nennt man
das. Den Hohlweg nehmen wir mit links, biegen dieses Jahr jedoch in einen neuen
Streckenabschnitt ein, der sich unten im Sternmühlental am Schwarzbach langschlängelt.
Bei Weitem nicht so schön wie der Höhenweg, doch dort hat der Forst
zugeschlagen. Im Hammergrund samt dem sich anschließenden Steilstück dezimiert
sich das Grüppchen spürbar. Oben angekommen, steht sie wie jedes Jahr, die
einzig wahre Modder. Wenn ich nicht wüsste, sie wär's, würde ich sagen, sie
ist's. Die Verbottlung ist hervorragend, denn „de Modder“ rennt trotz
Stummelbeinchen dieses Jahr mit, damit ich ihr den Arm nicht auskugle. Der
Vadder schießt derweil Fotos. Rennen und das Erkennen seines leiblichen Sohnes sind nicht so seins, deswegen muss de Modder immer ran. Kurz drauf geht es wieder ins Tal hinab und den längeren
Anstieg zum Adelsberg hinauf. Hier schließt sich ein neuer Streckenabschnitt
an, der recht ruppig bergab führt und später bei schönem Gegenwind wieder
hinauf auf die alte Strecke. Wenn man sich die außergewöhnlichen Rundenzeiten so anschaut, muss hier wohl in Runde eins der
eine oder andere Radler direkt vor und auch hinter uns den alten Streckenteil gefahren sein. Ich wunderte mich schon, dass die auf einmal wie vom Erdboden verschluckt waren. Das Ganze spart rund
fünf Minuten und einige Höhenmeter ein. Erst in Runde zwei steht dort ein
Streckenposten.
Um zur Rundendurchfahrt zu kommen, fehlen jetzt nur noch der
Koppelweg-Downhill und der Anstieg ins Wohngebiet.
Runde zwei. Unsere Gruppe besteht aus den Fahrern MB, Bestie
Stephan, Eric Hassmann, einem Staffelfahrer und meiner Wenigkeit. Bis runter
ins Sternmühlental passiert nichts Außergewöhnliches, mal abgesehen davon, dass
Fahrer Hassmann die Bestie Stephan in einer schnellen Linkskurve fast abräumt.
Zum Glück gibt es ja Straßengräben. Die Bestie hat mal eben tierisch Hass,
Mann. Im Anstieg des Hammergrunds gehen die Bestie und Eric nach
hinten verloren. Zu dritt kommen wir bei der Modder oben an, die aber nur mich
verbottelt. Zu dritt drücken wir auch die restlichen Kilometer Richtung
Adelsberg. Hinter Mike biege ich in die neue Holterdiepolter-Abfahrt ein, muss
aber Vorsicht walten lassen. Mike hat bergab noch etwas Luft nach oben. Unser
Mitstreiter, auf einem Fully unterwegs und nicht wie MB und ich auf einem
Haarteil bzw. Hardtail, setzt sich ganz vorne fahrend etwas ab, doch ich kann
uns bergauf wieder herandrücken. Er fährt zwar nur Staffel, doch das Ganze ist
enorm wichtig für mein Ego. Die Koppel runter haben wir nun etwas mehr Verkehr,
doch alle machen fair Platz. Den letzten Col hinauf, und schon ist Runde zwei vorbei.
Mike und ich bilden zu Beginn der dritten Runde kurz ein
Duo, bis uns von hinten zwei frische Staffelfahrer aufrollen. Die stören nicht
weiter. Hohlweg, Steilkurve, neuer Streckenabschnitt, alles okay, doch ca. in
der Mitte des Talweges werden wir von einem Streckenposten angehalten, und das,
wo der Motor gerade läuft. Virtuelles Safety Car, nur ohne Fahren halt. Grund: böser
Sturz ca. 50 m vor uns. Die Notfallsanitäter sind bereits am Bergen des
weiblichen Opfers. Es hat sich schon eine längere Schlange gebildet, und hinter
uns rollen natürlich weitere Fahrer auf, auch die bereits versägten. Cheise,
aber Gesundheit geht vor. Bis die verunfallte, leider recht ramponierte Dame
geborgen wird, vergehen für uns fünf Minuten, für die Leute weiter vorne sicher
zehn. Ihr wünsche ich natürlich gute Besserung. Nach besagter Wartezeit wird
die Strecke wieder freigegeben. Mir ist kalt, und meine Keulen sind erst mal im
Eimer. Ich hasse es, beim Radeln Pausen zu machen. Trotzdem können sich Mike und
ich im Anstieg hoch zur Modder wieder von unseren direkten Mitstreitern
absetzen. De Modder überreicht mir die letzte Bottle für heute, und ab geht's
hinunter ins Tal und wieder rauf. Entweder liegt es am doppelt so hohen Alter, an
meinen knapp zwanzig Kilometern Führungsarbeit am Stück oder noch immer an dem deprimierenden
Erlebnis, eine Frau gesehen zu haben, die vom Boden aus ohne Hilfsmittel die Balkonblumen
im ersten Stock gießen kann. Denn Mike bringt Meter zwischen sich und mich. Ich
fahre nicht langsamer, er wird nur bisschen schneller. Randrücken ist jetzt
auch nicht mehr so ohne. Na gut, soll er doch, drauf gesch… Ins Ziel komme ich
trotzdem sturz- und erneut pannenfrei. Und das ist außerordentlich positiv im
letzten Rennen einer an sich verkorksten Saison.
Nach dem Ausrollen folgt zeitnah die Siegerehrung.
Eigentlich werde ich ja immer Siebter, doch heute wird's ausnahmsweise mal
Platz 8. Unter den Umständen war dieses Mal leider nicht mehr drin.
I declare the season closed. Die bereits vorgewärmte, mit
viel Schokolade ausgestattete Höhle wartet schon wieder. Wahnsinn, wo die Zeit
bleibt. Körper und vor allem Geist benötigen Erholung und die seit Anfang
August immer noch lädierte, recht schmerzende Schulter womöglich eine
intensivere chirurgische Betrachtung.
So. Feierabend. Ich habe fertig. Bis Baldrian!
Ergebnisse: hier.
De Modder beim Verbotteln (c) by Vadder |