Am Rennmorgen nach bestimmt
nicht mehr als vier Stunden Schlaf bin ich nicht nur gerädert, sondern schon wieder dem Telefonterror des völlig
bekloppten Ex-Polofahrers und Neu-Astranauten A. Meyer ausgesetzt. Mobbing in Reinkultur. Wieso
hat der eigentlich meine Telefonnummer? Aha, Rico Lasseck, die alte Schabracke,
hat sie ihm weitergegeben und damit knallhart gegen die DSGVO verstoßen! Immerhin
sagt der Astranaut mir einen Blitzer durch und rehabilitiert sich damit ein
wenig. Ich selbst bin ja nicht so blitzeranfällig, das Kfz da schon eher,
besonders wenn man mal wieder spät dran ist.
Onkel Petrus hat
ein Einsehen mit uns: kühle 20°C und keine prasselnde Sonne. Sogar geregnet
hat's, und selbst im Dixiklo ist es auszuhalten. Die Anmeldung ist der Hammer,
denn ich bin sofort an der Reihe und brauche keine halbe Minute. Ich hatte mir extra
was zu essen mitgebracht, damit ich beim Warten nicht unterzuckere. So schnell
hatte ich meine Startunterlagen noch nie bei meinen knapp 20 Starts hier beim
EBM. Weiter so! Die Zeit, die ich spare, vergeude ich bei der Suche nach
Verbottlern. Weder analog noch digital kann ich jemanden auftreiben. Plan B
muss her. Kurz vor der Angst um dreiviertel neun düse ich mit sechs großen
Flaschen und meinem Camping-Tischlein runter in den Seiffener Grund, baue das
Ganze zügig auf und hoffe, dass keiner mir die Flaschen und die Gels klaut. Wir
kommen leider nur einmal pro Runde an der Stelle vorbei; das heißt, dass ich
jeweils zwei große Bottles greifen und
die leeren beiden wieder verstauen muss. Das bedeutet jedes Mal nervige
Standzeit.
8.57 Uhr rolle ich etwas
in Eile in meinen Startblock, und zwar ganz hinten ran. Der neutralisierte Start
erfolgt etwas verspätet, weil A. Fischer nicht mit Erzählen fertig wird. Stau ohne Ende bis runter auf die
Hauptstraße, dann geht es scharf. Ich fahre konsequent meinen doch recht
langsamen Stiefel, da 100 km lang werden können, wenn man dieses Jahr noch nie
diese Strecke im Rennen gerollt ist. Das hat allerdings zur Folge, dass ich bis
zur zweiten Abfahrt später im Gelände an den Engstellen staubedingt mehr
oder weniger stehe. Irgendwann entzerrt sich die Meute aber spürbar, und ich
kann mein eigenes Rennen fahren. Es sollte eins der schmerzhaftesten werden, an die ich mich erinnern kann. Tags zuvor beim Anschwitzen daheim im
Wald musste ich mich freilich tierisch auf hartem Grund ablegen und meine linke
Körperhälfte neu tapezieren. Der Ellenbogen – natürlich der linke – ist mal
wieder offen und saftig, dazu noch 'ne Schulterprellung – wenn ich Glück habe –, die bis
heute verhindert, den linken Arm ohne Schmerzen über die Horizontale hinaus zu
heben, und die obligatorischen Rückenschmerzen. Auf die Notaufnahme
hatte ich keinen Bock bei über 30°C und schon gar keine Zeit. Den ganzen Abend
habe ich Kühlbeutel drauf auf der Schulter. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Jetzt fragen sich meine zwei, drei Leser, wieso der Vollhonk dann die 100 km fährt? Weil mein
Verein, der RSV Erzgebirge, mir im Winter diesen Startplatz geschenkt hat und
ich die 50 Euro Startgebühr nicht zur Esse hinausjagen wollte einen Tag vor der
Angst. Deswegen musste ich heute auch ausnahmsweise im RSV-Trikot starten, also
nicht wundern. Und, man mag es kaum glauben, hatte ich mich die letzten zwei,
drei Wochen ganz gut vorbereitet für Seiffen. Dachte ich zumindest.
Weil der Körper
recht lädiert ist und ich Probleme habe, den Lenker richtig festzuhalten, wähle
ich konsequent den Chickenway. Tags zuvor sagte man mir, dass man
dort nur wenig Zeit verliert. Das nehme ich in Kauf, denn ein Sturz wäre heute
fatal. Ich fahre generell sehr vorsichtig; gar nicht meine Art, aber safety
first. Selbst der Chickenway ist nicht ohne, ich komme jedoch gut durch. Anhalten,
zwei Flaschen greifen, weiterfahren. Irgendwann ist Runde eins nach einer recht
dürftigen Zwischenzeit beendet.
In Runde zwei kann
ich ein paar Plätze gutmachen, weil die Beinchen noch willig drehen, nur die
Schmerzen bergauf wie bergab sind hinderlich. Pünktlich vor der Steilabfahrt
beginnt es recht ordentlich zu schiffen. Der Boden ist hart, die Schiffe
versickert nicht. Pfützen, Schlamm; kurz: Es wird glitschig. Ich habe aus
besagten Gründen Bammel vor der Abfahrt, doch irgendwie bleibe ich auf dem Bock
sitzen trotz der nassen Wurzeln. Es ist allerdings mehr ein unkontrolliertes Schlittern
denn ein Fahren. Wieder Flaschen greifen und sich nach vorn orientieren. Zwei
Leute kann ich noch stellen, bevor es in Runde drei geht.
Der Boden ist jetzt
ganz schön schlammig, und bei mir bahnt sich mal abgesehen vom Körperaua eine
kleine Krise an. Ich kann mein Tempo nicht mehr halten, und manche Menschen
besitzen sogar die Frechheit, mich zu überholen. Zur Cola im Seiffener Grund
ist es zum Glück nicht mehr allzu weit. Jetzt bloß noch die Steilabfahrt
überstehen, und dann guck'mer mal. Der Chickenway ist in Runde drei deutlich
schneller als die Profiabfahrt. Ich habe auf einmal zwei Leute, die mich einige
Zeit vorher überholt hatten, direkt vor mir. Geht doch. Leider muss ich wieder
anhalten zum Flaschengreifen, sodass mir die Helden in Radhosen enteilen. Bis
die Cola zündet, vergeht eine ganze Weile, erst vier Kilometer vor dem Ziel
gehen die Beinchen wieder spürbar auf. Der Abstand verringert sich, nur
erwischen tue ich leider keinen mehr, auch wenn's knapp wird. Am Ende steht
Platz 25 auf der Habenseite. Nicht das, was möglich wäre, bloß was nützt dir
Platz 15, wenn du anschließend vor lauter Schmerzen ins Krankenhaus musst. Und je länger man fährt, umso mehr hat man vom Startgeld. Abhaken, die Verletzungen auskurieren, sich erholen, Rad in Schuss bringen,
weitermachen. Apropos Rad: Es hielt, abgesehen von ein paar Schaltproblemen,
erneut schadlos durch. Krasse Sache, die Reuse.
Meine Teamkollegen
erwischen allesamt einen besseren Tag, können siegen (LH bzw. seit Juni LS),
aufs Podium klettern (FK) oder fast ganz vorne reinfahren (HDW a. D., Mike B.,
Sven P.).
Man sieht sich,
sofern ich Verbottler finde, bei der Vier-Schanzen-Tournee.
Ergebnisse: hier.
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