Nicht schimpfen. Hatte zu tun. Die neue Küche ist endlich da,
und ich fange an zu backen und zu dampfgaren. Keine Zeit bisher für'n Rennbericht.
Aber nun.
Ich komme erst 7.15 Uhr los aus Karl-Marx-Stadt, bin
trotzdem 8 Uhr in Seiffen. Kein Hubschrauber, sondern brauchbar motorisierter Pkw.
Hier vor Ort habe ich zunächst Probleme, prädestinierte Verbottler zu finden. Zum
Glück erspähe ich 12 min vor dem Start die immer strahlende Laura Hoffmüller und
einige ihrer 15 Geschwisterinnen. Prompt werde ich meine Flaschen völlig
komplikationslos und ohne langes Gerede los. Das liebe ich an Familie Hoffmüller. Dass danach
allerdings keine große Zeit mehr fürs Warmfahren bleibt, versteht sich von selbst;
dafür muss die Einführungsrunde herhalten.
Im Race-Startblock stehe ich wie immer ganz hinten. Stört
nicht weiter, ich habe 100 km Zeit. Andere gehen es verbissener an und müssen
sich natürlich schon die Alp de Wettin hinunter die Kante geben. Im Grund unten
scherbelt's dann auch schon recht ordentlich. Muss natürlich sein, so was.
Nach der Startfreigabe donnert das Feld los. Heute fahre ich
mal bewusst defensiv – also noch langsamer als sonst –, weil ich die 100 km bei
noch guten Kräften überleben und hinten raus noch Druck haben will. Das Fleisch
ist nicht mehr ganz so willig wie noch vor 20 Jahren. Dennoch kann ich im
Seiffener Grund zur Spitze aufschließen und etwas Windschatten genießen bis zum
Alp-Uphill. Jetzt wird scharf geschossen, bei mir nur mit Platzpatronen, und im
Gelände dünnt's die Meute recht fix aus. Von hinten aufschließende Kurz- und
Mittelrundler lasse ich widerstandslos passieren, denn die sind ja bald schon wieder
fertig. Über die neue Streckenführung bin ich etwas überrascht, denn ich habe
mir im Vorfeld weder Info-Mails noch News, noch sonst irgendwas durchgelesen,
um mich nicht über Gebühr heiß zu machen. Ob die neue Strecke nun besser oder
schlechter ist, sei dahingestellt, auf jeden Fall ist der Waldautobahnanteil
höher, und ein paar Höhenmeter gibt es obendrauf.
Ca. zwei Kilometer vor der (neuen) Steilabfahrt steht unser
FK am Rand mit Kettenriss; ich kann ihm leider überhaupt nicht helfen auf meine
Anfrage, da eine Kette bei mir nicht zum Notfall-Repertoire gehört. Irgendwie –
ich weiß nicht wie, denn ich sah ihn ab da weder im noch neben dem Rennen –
kommt er trotzdem ins Ziel. Teufelskerl. Die Steilabfahrt selber hätte ich dann
doch mal lieber vorher ein-, zweimal fahren sollen, denn das erste Mal geht es
etwas holprig da runter – aber alles ohne Sturz. Bei Schiffe allerdings wird’s durchaus glatt. Im Seiffener Grund informiere ich FKs Bruder Immanuel
bzw. FKJ, dass sein Bruder 'nen Kettenriss hat. Nebenbei greife ich mir noch eine
neue Bottle. Ich werde heute generell perfekt verbottelt, mal von FKJ, mal vom
Teamkollegen Pitt Brett, mal von einem der 15 Hoffmüller-Geschwister und mal
vom Liebhaber einer der 15 Hoffmüller-Geschwister. Runde eins habe ich dann mit
einer mittelmäßigen Zeit irgendwann auch abgehakt.
In Runde zwei schließt Bastian „HDW a. D.“ Wauschkuhn von
hinten zu mir auf, worüber ich nicht böse bin, weil's anfangs noch etwas
Schwung und Motivation gibt. Wir sammeln hier und da ein paar Leutchen ein,
halten unsere Schwätzchen, die man im gestandenen Mannesalter so hält –
Prostata, Schmerzen beim Pullern, Haarausfall, Gischt, Grauer Star usw.
Irgendwo im Forest sammeln wir auch Marco Häntschel ein. Die Steilabfahrt
gelingt jetzt minimal besser, auch wenn ich dem einen ollen Baumstamm links
immer sehr, sehr nahe komme. Im Grund unten werden HDW und Güldi solide verbottelt,
um danach den langen Asphaltzieher hochzuleiern. Irgendwo weiter oben wird auf
einmal meine einkehrende Mittagsschläfrigkeit von ohrenbetäubendem Lärm
unterbrochen: Herr Häntschel macht ein „kleines Bäuerchen“ – ein sog.
Häntschel-Hirsch, und das außerhalb der Brunftzeit. Schlagartig sind HDW und
ich wieder im Rennmodus. Der sich anschließende Downhill wiederum beflügelt
einen eben bergauf überholten Fullyfahrer zu schier übermenschlichen
Leistungen, indem er ohne Rücksicht auf Verluste mich und einen zu umrundenden
Fahrer recht knapp überholt, dass man glaubt, unten in der Spitzkehre gibt's Glühwein
und Pfefferkuchen. Gibt's aber nicht, sondern nur paar böse Worte von mir. Er
macht sage und schreibe zehn Meter dabei gut, die er bergauf aber gleich wieder
einbüßt. Bei manchen Leuten setzt bergab das Hirn komplett aus.
Die inzwischen vier oder fünf Leute ziehe ich dann über die
Kuppe bei der Kapelle bis hoch zum Gel-Drop, den ich heute dreimal (!)
verfehle, bis über die Motocross-Strecke. Bergab zeigt uns der Fullyfahrer
natürlich wieder, wer der Schnellste ist, wird aber einwandfrei im Nicht-Chickenway
blockiert, weil dort Leute runterspazieren müssen, die mal lieber den Hühnerweg
hätten fahren sollen.
Die zweite Runde ist bald darauf auch Geschichte. Ich
verliere hier leider meine geschätzten Mitfahrer HDW und Hirsch Häntschel,
bekomme aber einen dazu – Herrn David Seidel. Mit ihm wird die dritte Runde
sicher recht unterhaltsam werden, sofern ich ihm einigermaßen folgen kann, denn
für diese letzte Runde hatte ich mir einiges vorgenommen.
Doch Pustekuchen, denn als es gleich nach dem zweiten
Gel-Drop rein ins Gelände geht, macht's hinten zisch. Ich Held habe mir mal wieder
die Karkasse aufgeschlitzt. Ich muss an einem Grashalm hängengeblieben sein,
denn Steine gibt es dort keine – oder der Riss war schon da, nur jetzt hat er
die Schnauze voll. Die Milch ist überfordert, der Reifen am Zaun oben vorm
Downhill platt. Zwei Kurzstreckenheizer, die uns anfeuern, helfen mir beim „Wiederinstandsetzen“
des Reifens. Mit einer Kartusche, die zündet, als ich es nicht vermute, kann
ich den Reifen zwar mit Luft befüllen und den Schlitz sogar etwas abdichten,
doch ich zerstöre mir dabei den Ventilkopf. Mit der Handpumpe pumpe ich noch
nach, was geht. Den Schlitz bekomme ich bei Solldruck nicht dicht und muss mit
recht wenig Luft fahren, die außerdem noch dem defekten Ventilkopf entweicht.
Mal sehen, wie lange das hält, und zum Glück sind es ja nur noch knapp 30 km bis
ins Ziel.
In den paar Minuten sind erstaunlich viele Fahrer der
Langdistanz an mir vorbeigehuscht. Hier scheint es ein Nest zu geben. Ich gehe
in die Verfolgung, bin aber erst mal völlig aus dem Rhythmus. Nach vorne mache
ich kaum Boden gut, von hinten kommen andere Fahrer ran. Zum Glück meistens nur
Staffelfahrer. Ich könnte mich erschlagen, kann's aber nicht, weil ich meine
Axt vergessen habe.
Mein Reifen hält zumindest bis zur Steilabfahrt einigermaßen
die Luft. Erst danach geht's bergab mit der Performance, aber bergauf mit den
Hufen. Noch knapp 15 km sind es bis ins Ziel. Wenn ich jetzt noch mal absteige,
verliere ich erneut den Rhythmus und bei meinem Geschick viel Zeit beim
Schlauchwechsel. Ach ja, Schlauchwechsel geht ja gar nicht, weil ich den 5-mm-Achsschlüssel vergessen habe. Ich wähle das Risiko. Dass ich fahre wie auf
Eiern und hin und wieder Durchschläge habe, ist mir jetzt sch…egal, Hauptsache,
ich komme heute noch ins Ziel. Und das gelingt mir. Leider nur weit
abgeschlagen auf einem indiskutablen Platz 24. Status Reifen: Schrott. Status Felge: immerhin überlebt. Status
Popo: Ach du Cheise! Status Rest-Güldi: stocksauer. Und zwar darüber, dass die
EBM-Modells zu hohe Absatzschuhe tragen und mich auf dem Zielfoto immer wie
einen Zwerg aussehen lassen. Na ja, wenigstens holen unsere beiden schnellen Damen
Karin Kadner und Laura Hoffmüller die Kohlen aus dem Feuer und sichern sich auf
Mittel- und Langdistanz jeweils den Gesamtsieg. Grandios, ihr zwei Maschinen!!!
Nach dem Rennen schaufle ich noch die obligatorischen Nudeln in mich hinein,
bevor es heim geht zu Mutti und Vati. Neue Reifen sind bestellt, nach drei
Totalschäden in den letzten Wochen nun aber die – hoffentlich robustere – „Snake
Skin“-Variante. Man(n) lernt nie aus, auch nicht mit Anfang dreißig.
Und weil ich im Wettkampf momentan die Seuche habe, probiere
ich es demnächst mal bei einer RTF: der Vier-Hübel-Tour. Bis dahin pannenfreies
Vorankommen.
Ergebnisse: hier.
(c) by Diana Fink |
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