Eine kurze Anreise, ein geringes
Startgeld, eine vom Papier her vernünftige MTB-Strecke, die ihren Namen auch
verdient: Grund genug, nach Tschechien in die Gemeinde Perštejn nahe des Col de
Keil zu düsen, um weitere wichtige Rennkilometer für die noch nicht optimale
Form zu sammeln. Ein tschechischer Rennkilometer entspricht dabei in etwa zwei
deutschen.
Mein Kfz schnurrt auf der Hinfahrt durchs kurvige Gebirge vor Freude,
bei Ankunft riechen aber die Bremsen etwas verschmort. Torsten „Mütze“ Mützlitz
weist mich vor Ort ein, da nix ausgeschildert ist. Weitere deutsche
Protagonisten wie Lutz Baumgärtel und Dani Storch, Sascha „Waldi“ Heinke, Andi
Weinhold, David Seidel, Marcel Seidel, Steffen Wolfram usw. treffe ich am
Start. Mütze erzählt mir beim Warmfahren noch Schoten vom letztjährigen Rennen,
als alle den ersten Anstieg hochknallen und dann abparken.
Am Start stehe ich sehr weit
hinten, kann aber in der neutralisierten Phase bis nach vorne durchfahren. Am
ersten Berg rufe ich mir Mützes Worte ins Gedächtnis, nicht zu überziehen. Ich
lasse es etwas gemütlicher angehen. Die Strecke kenne ich auch nicht. Blöd nur,
dass einige „MTB’ler“ vor jeder Schlammpfütze bremsen und den Verkehr dahinter
aufhalten. Es entsteht ein kleines Loch nach vorne, was ich in einem der
wenigen Flachstücke wieder zufahre nach ein paar Kilometern. Nachteil: Ich bin
erst mal blau und muss die Truppe am nächsten steilen Col wieder fahren lassen.
Im Rennen drin bin ich noch nicht so richtig – das übliche Thema bei mir. Etwas
später läuft es besser, und ich kann einen nach dem anderen Fahrer einsammeln –
bis es zisch macht am Vorderrad, und das bergauf. Freude. Ca. ein Bar Luft entweicht,
bis die Milch dann doch ihren Dienst verrichtet. Ich muss nicht runter vom
Hobel – noch nicht. Etwas schwammig zwar, aber noch fahrbar. Ich bin zu faul,
nachzupumpen, um den Anschluss nicht noch mal zu verlieren. Eine weise
Entscheidung trotz einiger Durchschläge. Mitte der Strecke bin ich mit einem
Tschechen nach vorne rausgefahren. Ohne Streckenkenntnis verpasse ich den einen
oder anderen Abzweig, doch der nette Tscheche pfeift mich in aller
Regelmäßigkeit zurück. Wir unterhalten uns in Englisch. Auch dieser Tscheche
könnte – wie der von letzter Woche – mein Sohn sein, stellt sich heraus.
Zusammen holpern wir die wirklich feinen Trails hinab in Richtung Perštejn.
Mein rechter Bremshebel ist jedoch zu weit vom Lenker entfernt, was mein
Handgelenk mit zunehmendem Kraftverlust quittiert. Das nächste Mal stelle ich
den Hebel weiter ran, schwöre ich mir. Und ich bin überrascht, dass der
einheimische Tscheche nicht schneller bergab fährt als ich.
Inzwischen schauert es recht
heftig, und es wird glitschig. Kurz vor der Straße in Richtung Ort zieht es mir
in einer schlammigen Spurrille abrupt das Vorderrad weg. Der alte Mann stürzt,
und natürlich auf den linken, noch nicht ganz verheilten Ellenbogen. Der
Tscheche erkundigt sich nach meinem Befinden. „Alles okay!“, bin doch ein Mann,
das tut nicht weh, überhaupt nicht. Und es blutet auch nichts, gar nichts. Und
dass ich schon wieder quasi meinen Knochen durch die aufgeklappte Haut sehe,
ist sicher nur Einbildung. Also fahre ich erst mal weiter und bemerke, dass
mein Garmin am Lenker Reißaus genommen hat. Der kann sicher kein Blut sehen. Also
rein in die Eisen, Kehrtwende, entgegen der Strecke fahren und im Schlamm das
Navi suchen. Ich finde es glücklicherweise in einer Schlammpfütze und stecke es
ins Trikot. Die ganze Aktion kostet mich zum Glück nur zwei Plätze. Ich fahre
zunächst auf Sicherheit und recht gemütlich, und da der Arm noch zu halten
scheint, gebe ich wieder etwas mehr Stoff und hole die beiden Leute vor mir beinahe ein trotz einiger waghalsiger Manöver auf den letzten Trails in Richtung
Ziel. Der Rückstand zu den vor mir ins Ziel gekommenen Heizern um Lutz, Mütze,
Waldi und Co. hält sich trotz der ganzen Pleiten erfreulich in Grenzen. Da wäre
mehr drin gewesen, wenn die Strecke länger gewesen wäre. Kann aber auch sein,
ich wäre an Blutarmut jämmerlich zugrunde gegangen.
Die Siegerehrung – ich werde
in der AK noch Zweiter – muss ich weglassen, die übernimmt Baum Lutzgärtel
stellvertretend für mich. Danke! Stattdessen geht es nach der Erstbehandlung
durch hübsche, aber etwas überforderte Tschechinnen und einen tschechischen
Sanitäter, der einen etwas verlodderten Eindruck macht, nach meinem Einspruch
nicht in ein tschechisches Provinz-Krankenhaus, sondern nach Chemnitz in die
Notaufnahme – mein zweiter Wohnsitz. Waldis Vater, Herr Heinke, fährt meinen Audi. Ich bin Beifahrer.
Sicher ist sicher. Vielen Dank dafür!!! Er setzt mich nach dem Umweg über die
heimische Dusche an der Notaufnahme ab, Frau Heinke, die etwas später aus
Tschechien folgt, ist schon da, um ihren Mann wieder mit heim zu nehmen. Nach
ca. fünf Stunden Wartezeit und einem öffentlich-rechtlichen TV-Abend-Programm,
was deutlich mehr Schmerzen bereitet als der Ellenbogen, werde ich mal wieder aufgeschnitten,
unter Teilnarkose, versteht sich, die Wunde wird gesäubert, komplett rausgeschnitten
und vernäht. Irgendwann müssen die mir Haut vom Arsch transplantieren, weil ich
am Arm keine mehr habe. Während der OP witzeln der polnische (und nicht
tschechische) Operateur und ich ein wenig herum und diskutieren über die Vor-
und Nachteile von Fullys. Den Schleimbeutel muss der Chirurg zum Glück nicht
entfernen, denn das wurde er ja bereits letzten Oktober. Und das Innenband hat
bissl was abbekommen, ist aber nicht gerissen. Im Gegensatz zu Oktober bleibt
mir dieses Mal der Gips erspart, eine Binde tut’s auch. De Modder bringt mich nach der OP um 23.15 Uhr nach Hause, wo's dann noch feines Abendbrot gibt zum Tagesende.
So, nun habe ich wieder ein
paar Wochen Zwangspause und muss neu aufbauen – irgendwann und ohne Eile. Mal
die schönen Seiten des Lebens genießen … ;-) Sport frei bzw. sportfrei!
2 Kommentare:
Arme Sau....
Na dann gute Besserung, Guido !!!
Dass in einem Bericht von Dir mal meine komplette Famile auftaucht hätte ich auch nicht mehr gedacht - verrückt ;-)
Gute & Schnelle Genesung!!!
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