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Mittwoch, 8. Juni 2016

1. Miriquidi Bike Challenge in Marienberg am 05.06.16

Kurzfristig hatten Drei-Meter-Mann Lars und ich eigentlich vor, dieses Wochenende bei einem Rollatorrennen im AZURIT Seniorenzentrum Altes Rathaus Chemnitz zu starten, doch kurzerhand entscheiden wir uns für Marienberg. Dort findet zum ersten Mal die sog. Miriquidi Bike Challenge – die MBC – statt. Die wird mit Mountainbikes ausgetragen.

Am Sonntagmorgen packe ich nach einer wirklich miesen Nacht meinen gut 24 Jahre jüngeren Ziehsohn und Teamkameraden Christian Schröder mit ins Auto, der die Challenge auch fahren will. Die zahlreichen Niederschläge die Tage zuvor bei null Streckenkenntnis machen mir die Entscheidung, welche Strecke ich fahren sollte, alles andere als leicht. Erst vor Ort und auch mit Hilfe von Ronald Oehmes Strecken-Know-how entscheide ich mich für den langen Kanten über 90 km. Wenn ich das Programm für die kommenden Wochen und meinen Hüftumfang so sehe, müssen es zwangsläufig auch die 90 km werden.
„Ein Fully brauchst du nicht!“, meint Ronald am Vorabend, also mache ich das Hardtail race-ready – freilich mit einer kleineren Übersetzung als in Markersbach und dieses Mal mit Federgabel. Die Bremsbeläge sind so lala, aber das Bremsen wird eh überbewertet. Christians und mein Verbottler ist mit Uwe Möckel auch schnell gefunden, der sich ohne Murren und Knurren bereit erklärt, uns beide zuzüglich Ronald zu verbotteln.

Um neun geht’s scharf für die knapp dreißig Bekloppten. Von oben ist es zum Glück trocken, aber von unten schon nach den ersten Metern klitschnass. Und überall Schlamm. Der Grip ist so mies wie das TV-Programm von RTL2. Ohne jedwede Streckenkenntnis rolle ich erst mal bei recht humanem Tempo mit dem Pulk mit und lasse mich von Kurve zu Kurve überraschen, wo’s denn so hingeht. Auch ein Karnickel begleitet uns für einige Meter, doch Möhren haben wir ausgerechnet heute nicht dabei. Ein Trail jagt den nächsten, und auch ein stillgelegter Bahndamm wird von uns unter die Räder genommen. Irgendwo auf den ersten Kilometern befahren wir auch eins der wirklich kaum vorhandenen Asphaltstücke. Ron Oehme verpasst hier allerdings einen Abzweig links in einen Trail hinein, was zur Folge hat, dass er scharf anbremsen und einlenken muss. Ich bekomme davon so einen Schreck, dass ich zu stark an der Vorderbremse ziehe, was mein Vorderrad mit abruptem Wegrutschen quittiert. Da liege ich mal wieder auf der Schnauze, und natürlich wie immer auf der linken Seite. Ich scheine da eine Unwucht in meiner Körperhorizontalen zu haben. Doch zum Glück fahre ich ja mit Armprothese, deswegen bleibt der Ellenbogen heil, nur der linke Oberschenkel wird neu tapeziert. Nach kurzem Zwischenstopp kann ich das Loch zur Spitze im folgenden Schlamm-Col wieder zudrücken.
Weiter geht’s in einem angenehmen Tempo, wobei mir nach einer Weile auffällt, dass wir nur noch drei Leute sind. Im Verkehrsfunk bringen die nichts über Staus, Unfälle, Geisterfahrer etc., also nehmen wir zu dritt die nur noch gut 80 km in Angriff. Jeder geht durch die Führung, sodass wir nicht einschlafen. Irgendwo Mitte der ersten Runde leitet mich ein Streckenposten falsch und mitten ins Fichtendickicht. Seine oberen Gliedmaßen weisen mir eindeutig den Weg nach rechts, doch der Streckenposten will mir damit sagen, dass es geradeaus bergab geht, ich aber auf der rechten Seite bergab fahren solle. Bloß kapiere ich das erst, als ich im Wald stehe und meine beiden Begleiter geradeaus den Downhill hinab zu einer Holzbrücke in Angriff nehmen. Okay, 180-Grad-Kehrtwende und hinterhergedüst. Im Flachstück fahre ich wieder auf beide auf, einen steilen Berg empor, einen schönen Downhill mit Anliegern hinab, mal kurz Waldautobahn Richtung Catstone, besagten Catstone hinauf, wieder einen schönen Downhill hinab und Richtung Ziel noch mal einen kleinen Anstieg hinauf. Erste Runde ready.

Flasche fassen von Uwe, und auf geht’s in Runde zwei. Wir sind immer noch zu dritt unterwegs, doch dank der ersten Install Lap weiß ich nun, wo die Tücken der Strecke liegen. Nach dem ersten Schlammdownhill der zweiten Runde bin ich plötzlich alleine unterwegs. Geplant war das keineswegs, aber bremsen tue ich deswegen nicht. Das übernimmt etwas später mein rechtes Pedal. Das hängt nämlich nur noch lose im Gewinde herum und eiert. Ich muss absteigen und versuche, das Teil mit der Hand wieder ins Gewinde zu drehen. No way. Zu viel Dreck bei zu geringer Power im Finger. Ich brauche einen 8er Innensechskant, doch so etwas hat man normalerweise nicht im Gepäck. Es dauert nicht lange, da kommt der Zweitplatzierte zu diesem Zeitpunkt, Herr Marcel Teilich aus Wiesbaden, an mir vorbei geschossen. Er hat leider keinen passenden Schlüssel dabei. Nur wenig später kommt der Dritte, Jonas Hummel aus Chemnitz, des Weges daher. Und der hat doch tatsächlich einen 8er Inbus am Start, der Teufelskerl. Im Fahren übergibt er mir sein Minitool, mit dem ich nun krampfhaft versuche, das Pedal zu fixieren. Es geht nicht. Also rausdrehen, Gewinde säubern und mit roher Gewalt wieder reindrehen. Das dauert und dauert, doch es klappt endlich. Schön fest ist es jetzt auch. Weil ich schlau bin, überprüfe ich gleich noch das linke Pedal und ziehe es vorsichtshalber fest. Weiter geht’s nach drei Minuten Pause. Meine beiden Kollegen sind freilich über alle Berge, doch zum Glück sind noch rund 50 km zu fahren. Allerdings muss ich nun den Ladedruck meines alten Turbodiesels etwas erhöhen.
Dieses Mal falle ich nicht auf die Gesten des Streckenpostens herein, der wieder nach rechts in den Wald zeigt. Ich fahre stur geradeaus, und zwar auf der linken Seite! Reiner Protest. The bridge over troubled water is very rutschig, but ich nehme mich in Acht und setze meine Aufholjagd fort. Im ersten der beiden lustigen Downhills halte ich mich nicht an die Richtgeschwindigkeit, meinen Handgelenken allerdings missfällt das. Unten im Blackwatervalley rollt auf einmal Torsten Mützlitz herum, der seit Samstag in Most (CZ) mit einer holländischen Radrennlizenz unterwegs ist. Er trägt keine Startnummer und regeneriert wie neulich in Markersbach. Kurz vor der Auffahrt zum Catstone kommen endlich meine beiden ehemaligen Begleiter ins Blickfeld. Jippie. In der Auffahrt fahre ich auf beide auf, deswegen heißt es ja auch Auffahrt. Das Werkzeug geht mit bestem Dank zurück an den Absender. Zu dritt (viert) zischen wir Richtung Zieldurchfahrt. Zweite Runde ready.

Wieder vermöckelt mich Uwe Bottle hervorragend. Ich mache es ihm nicht leicht. Ich benötige zwei Flaschen und einen Riegel. Uns Uwe hat aber nur zwei Hände. Trotzdem schafft er es mit kurzem Zwischensprint, alle Utensilien dem alten Mann auf dem Bike zur Verfügung zu stellen. Mc Drive für Fortgeschrittene bzw. „advanced verbottling“. Der Riegel wird sofort vertilgt, zumindest versuche ich das krampfhaft.
Mütze, der fliegende Holländer, lässt in der ersten Schlammpassage der Runde gleich mal das Gas stehen. Jonas setzt hinterher, obwohl Mütze außer Konkurrenz fährt, ich setze Jonas hinterher, weil er innerhalb der Konkurrenz fährt, aber Marcel Teilich aus Hessen koppelt ab, obwohl ich innerhalb der Konkurrenz fahre. Wenig später koppelt Jonas ab. Torsten und ich sind nun alleine unterwegs. Keine Sorge, er schiebt mich nicht, er zieht mich nicht, er spendet mir keinerlei Windschatten, was bei seiner Körpergröße auch nicht wirklich funktioniert, wir schmusen auch nicht; er erzählt mir nur Stories vom gestrigen Rennen in Most.
Der Schlamm-Col, wo vorhin mein Pedal den Dienst quittierte, ist jetzt voller Biker. Das macht’s nicht einfach, auf der Ideallinie zu bleiben und gleichzeitig den Fahrern auszuweichen. Zum Glück komme ich ohne abzusteigen durch die Pampe hindurch. Mütze fährt weit vor mir, auf der Drückerpassage verabschiedet er sich gen Heimat, weil er noch Marmelade einkochen muss.
Ich bin wieder allein, den gewieften Streckenposten am Brückendownhill jedoch, den gibt’s noch. Und wieder zeigt er nach rechts. Und wieder fahre ich links! Reiner Protest. The bridge over troubled water still is very rutschig, but ich mache sachte, um nicht vom Bike abzugehen. Flachstück und Gegenanstieg sind schnell abgehakt, der Anliegerdownhill auch, den ich nun mal lieber vorsichtiger fahre. Platten wäre doof. Im Schwarzwassertal komme ich bei noch gutem Puls gefühlt nicht mehr allzu schnell vorwärts, zum Glück muss ich nur noch den Catstone hinauf und kontrolliert Richtung Ziel rollen. Das klappt solide, und ich kann mich seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder über einen Gesamtsieg freuen, auch wenn nicht alles glatt lief. Jonas kommt paar Minuten später als Zweiter ins Ziel, Herr Marcel Teilich aus Hessen weitere paar Minuten später als Dritter. Dritte Runde ready.

Unsere beiden Youngsters Christian und Mike werden in der Gesamtwertung der 60 km Vierter und Vierzehnter, sind aber mit Abstand die Jüngsten im Feld der vorderen Platzierten. Alterspräsident Lars Strehle siegt auf der kurzen 30-km-Distanz. Beim Rollatorrennen hätte es nur einen Sieger gegeben, nämlich mich, so aber haben wir beide alles richtig gemacht.

Als Siegesprämie gibt es mal was ganz Neues: eine doppelläufige 86 cm große Holzbazuka mit massivem Fundament, um den Rückstoß abzudämpfen. Aus Tuninggründen wurde der Bazuka die Rinde abrasiert. Hammer. Meine beiden Katzen haben das Bäumchen schon inspiziert.

Fazit: Übermenschen sind heute auf den 90 km ausnahmsweise keine am Start gewesen, was den Normalmenschen natürlich freut. Nur ein Kettenblatt vorne bei richtig gewählter Größe macht bei so einem Schlammrennen wirklich Spaß, denn Kettenklemmer gibt’s nicht. Das kleine 9er Ritzel funktioniert auch im Modder erstaunlich gut. Ich hatte stets Vortrieb. Limitierend sind nur meine körperlichen Gebrechen, mein enormer Drang nach Kinderschokolade und natürlich mein Pedal. Ohne Jonas hätte ich wirklich alt ausgesehen, also noch älter als sowieso schon. Fürs erste Mal waren Orga und (entschärfte) Strecke trotz aller Umstände top. Weiter so!

Ergebnisse: hier
Next „race“: FRM

3. Runde
(c) by Konzeption SG

Siegerehrung alte Herren mit Bazuka
(c) by Christian Schröder

1 Kommentar:

Thomas Jacobi hat gesagt…

Naja, Übermenschen waren vielleicht nicht am Start, aber immerhin warst du mit dabei. Und dagegen bin ich ein mickriges Lichtlein. Leider konnte ich an diesem Tag nicht in Marienberg dabei sein.