Translate into your own language

Montag, 5. Mai 2014

Bike-Festival in Riva am 03.05.14: Ronda Extrema

Das erste Maiwochenende steht seit zig Jahren im Zeichen des Bike-Festivals in Riva und zum zweiten Mal auch in meinem Rennkalender. Also nix wie runter.
 
Ohne Zwischenfälle kommen wir – Sebastian „FK“ Stark, John-Oliver Stahn und ich, der Güldi, – in Riva bei mäßigem Regen und kalten Temperaturen an. Olivers Zimmer ist wegen eines kurzfristig eingetretenen Wasserrohrbruchs nicht belegbar, sodass unser Zimmer zum Dreimannzimmer umfunktioniert wird, dafür genießen wir vom Holzbalkon aus den Blick auf den nördlichen Lago. Es ist alles sehr eng und sicher ausreichend für den Durchschnitts-Italiener mit 1,35 m Größe, aber wenigstens sind die Betten solide und die Dusche schön warm.
Auf den Besuch oder die Teilnahme an der Veranstaltung „K(n)ack den Kurschat“ verzichten wir vorsorglich, holen die Startunterlagen für die Extrema, die man seit diesem Jahr nur noch mit UCI- oder Tageslizenz mit Arztattest fahren darf, und verdrücken unsere Pasta, die von einer Horde lustiger älterer Herren fließbandartig verteilt wird. Einem der Opas zeige ich meinen „dünnen“ Bauch, woraufhin er ihn betatscht und festlegt, dass ich Nachschlag zu bekommen habe, und zwar pronto. Mille grazie!
BIKE-Urgestein Ulrich Stanciu hält Vorträge, denen wir keine Beachtung schenken, und ich vermute, soeben den leibhaftigen Peter Schlickenrieder entdeckt zu haben. Wer weiß.
Zurück in der Herberge checken wir unsere Räder, gehen duschen und schlafen. Meinen unter der Decke leuchtenden iPod Nano hält FK für einen Erotik-Leuchtstab, was FK und mich später zu flachen Witzen animiert. FK beansprucht 70 % des besucherritzenfreien Doppelbetts, ich beanspruche 70 % der ungeteilten Doppeldecke. Dass es im wahrsten Sinne zu Reibereien kommt, dürfte klar sein. Um meinen Bettenteil rein interessehalber auszumessen, berühre ich aus Versehen mit der Hand FKs Hinterteil, das illegalerweise in meinen Bereich hineinragt. FK is not very amused, but er lässt mich am Leben. Des Nachts kommt FK immer mehr auf meine Seite, sodass ich mich nicht mehr drehen und wenden kann. Er hält mich sicher für seine Laura. Ich blockiere ihn mit meinem Po und verteidige meinen Bereich hartnäckig, sodass wir Teile der Nacht Arsch an Arsch verbringen. Schlafen tun wir alle drei dennoch gut, bis 5.30 Uhr der Handywecker klingelt. Nach dem kurzen Frühstück 6 Uhr geht’s schon in Richtung Riva zur Startvorbereitung. Noch nicht viel los, weil die Blöcke dieses Mal mit größerer Zeitversetzung starten: unsere UCI-Lizenz-Blöcke der Extrema von 7.30 bis 7.35 Uhr, der Rest zwanzig Minuten später.

Ich starte aus Block B um 7.35 Uhr, komme gut weg, und es geht gemütlich zum ersten Col mit ca. 900 Hm. Zu meinem Erstaunen fahre ich am Berg dem gesamten Block B auf und davon, nur Matthias Bettinger ist etwas schneller als ich und kurbelt mir langsam weg. Alleine, später zu viert, rolle ich mit meiner internationalen Gruppe (ein Österreicher, ein Italiener, ein Tscheche) in den ersten ruppigen, schlammigen Downhill. Der am Berg starke Ösi parkt bergab dermaßen, dass er den Anschluss verliert, die beiden anderen fahren kontrollierte Offensive, was sehr vernünftig ist in Anbetracht der Bodenverhältnisse. Irgendwann sehe ich Baum Lutzgärtel im Wald stehen, kurz später kommt er von hinten wieder heran und fährt recht spektakulär den Rest des Berges hinunter und unterhält mich mit Drifts, Wheelies usw. Viel schneller ist er aber nicht wirklich. Da kommt auch schon sein Schmusi Daniela Storch ins Blickfeld, die ich freilich höflich grüße. Unmittelbar darauf schalte ich bergab in den elften Gang. Blöd, wenn man nur zehn davon hat. Also runter vom Bock, um die zwischen dem kleinsten Ritzel und dem Schnellspanner eingeklemmte Kette rabiat zu entfitzen. Rauf auf den Hobel und meiner enteilten Gruppe im Flachstück hinterherhetzen. Ich drücke das Loch in der Ebene wieder zu. Nach einigen Schiebe- und Laufpassagen und leider auch einigen Staus zeigt mein Navi den zweiten harten Anstieg an. Hier leiere ich zügig hinauf, während von hinten der Führende der Ronda Grande, Christian Schneidawind, aufschließt. Die Strecke der Grande verläuft anders, schneidet aber ab und an unsere Extrema. Ich hänge mich kurz mit ran am Steilstück, weil sein Tempo wider Erwarten noch halbwegs fahrbar ist, doch kurz drauf siegt die Vernunft, und ich nehme etwas raus. Eine Minute später kommen Christian Kreuchler und Andreas Kleiber, dann Michael Schuchardt und Andreas Huber. Den zweiten, ebenfalls wieder recht heiklen Downhill überlebe ich abgesehen von schmerzenden Unterarmen und Handgelenken vom Bremsen schadlos. Hier hänge ich mich in die Gruppe von Schuchi und Co. mit hinein, bis Letztere den Abzweig in die Ronda Grande und ich den in die Extrema nehme. Zu meiner Verwunderung kommt mir hier Christian Schneidawind entgegen, der falsch abgebogen ist. Nicht der Einzige heute …

Irgendwann formiert sich eine neue Gruppe, in der neben dem bekannten Italiener und dem Tschechen auch zwei Holländer vertreten sind. Auf meinem Navi türmt sich nun der härteste Anstieg auf, nach oben schön progressiv, also immer steiler werdend. Das Ding zieht sich enorm, aber der Italiener verabschiedet sich nach vorn. Nach ca. zehn Minuten habe ich immer noch beide Holländer und den Tschechen im Schlepptau, als es böse steil wird. Nun kopple ich die drei Leute endlich ab, hole den Italiener und noch zwei andere Leute ein und komme mit dem Italiener am Auspuff klebend oben in 1500 m Höhe auf dem Pass an, wo noch Schneereste herumliegen. Den direkt folgenden ruppigen Downhill nutzen wir, um uns gänzlich abzusetzen. Die sich anschließenden Wurzeltrails bekomme ich im Tunnelblick nicht wirklich mit, doch der Italiener hält mich auf Trab durch sein Herumgeschreie, dass uns die langsameren Fahrer doch bitte Platz machen mögen; ständig hallt es „Occhio!“, was „Achtung!“ bedeutet. Manchmal hallt es auch „Scusi!“, wenn er jemanden umgerempelt hat.

Ich benötige jetzt dringend eine Verpflegung, und kurz vor Feierabend kommt sie. Hier muss ich stoppen, um meine Flasche und meinen Magen zu füllen. Gestärkt geht es weiter im Zick-Zack-Profil, wo ein giftiger Anstieg den nächsten jagt. Der teilweise tiefe Boden und die Wiesendurchfahrten ziehen mächtig Körner, und schon wieder neigt sich meine Bottle dem Ende. Cheise, wenn man keinen eigenen Support hat. Mich rettet gerade so die nächste Verpflegung, wo ich Cola, Isostar aus einer Gießkanne und Gels zu mir nehme. Der Italiener ist weg, weil er vermutlich seine Betreuer irgendwo stehen hat und nicht wirklich nachtankt.
Die holprigen Folgekilometer verlaufen zufriedenstellend mit vernünftigem, jedoch nachlassendem Druck, bis der letzte schwere Anstieg kommt. Letztes Jahr lief ich hier zu Fuß hoch und erbettelte einen Torx-Schlüssel, weil mein Getriebe im A… war, heute darf ich ihn fahren. Danke. Die letzte Verpflegungsstelle mitten im Anstieg bietet zwar Gels, aber auf die Schnelle keine vollen Trinkflaschen. Da ich einer Gruppe immer näher komme, trinke ich nur einen Pappbecher Cola und setze der Horde nach. Endlich oben auf dem Pass angekommen, hole ich den ersten Nachzügler ein – wieder ein Ösi. Hier scheint’s ein Nest zu geben. Der Nachteil der Aufholjagd: Meine Flasche ist leer, und eine Verpflegung kommt nicht mehr. Zusammen gehen wir in den Downhill, er lässt mich aber passieren, weil ich schneller bin, doch auf einmal ist die Strecke weg. Shit, falsch abgezweigt. Gott sei Dank kennt sich der Ösi besser aus als ich, und wir finden über einen Umweg vorbei an irgendeinem Privatgrundstück mit Gartenlaube und Zaun zurück auf die Strecke. Weiter geht’s in den nächsten, wirklich allerheftigsten Downhill der Strecke – und das nach fünf Stunden Fahrzeit. Hier steht schon ein Fahrer herum, weil er über den Lenker abgestiegen ist. Ich holpere mit Ach und Krach an ihm vorbei und fahre, was zu fahren geht. Doch irgendwann kann ich nicht mehr bremsen, weil mir die Gelenke einfach zu wehtun und ich keine Kraft mehr in den Händen habe. Dann verhakt sich meine Kette im Tretlager, ich kann nicht mehr treten und halte mich mit Mühe und Not an einem Baum fest, bevor ich links den Abhang runterkullere, steige ab und schiebe die bösen Passagen mal lieber runter. Uns Ösi tut es mir gleich. In meinem Alter wird man bodenständig, außerdem muss ich eine Katze versorgen. Die Holländer driften wieder an uns vorbei und scheinen auch heil runtergekommen zu sein. Vermutlich fahren die 200er Bremsscheiben. Nachdem ich die Kette entfitzt habe, steige ich wieder aufs Bike und holpere weiter – bis sich die Kette erneut im Tretlager verheddert. Güldi muss mal ein ernsthaftes Wörtchen mit seinem Chefmechaniker wechseln, den er namentlich hier nicht erwähnt. Nur so viel sei verraten: Er ist kleinwüchsig, etwas pummelig und trug vor kurzem noch einen Bart. Ich steige genervt ab und entfitze die Kette schon wieder, laufe ein Stück und treffe einen anderen – natürlich – Ösi, der dort eine Panne hat. Er bittet mich höflich auf Österreichisch um eine CO2-Kartusche, die ich ihm versuche zu geben. Blöderweise hat sich die Patrone dermaßen in meinem Trikot verheddert, dass ich sie nicht herausbekomme. Ösi greift mir in die Trikottasche und befreit sie nach einer gefühlten Ewigkeit. Diese Minute Standzeit kostet mich unwissend eine Podiumsplatzierung in meiner AK, wie sich am Folgetag rausstellt. Sehr ärgerlich, aber ich habe meine gute Tat für heute vollbracht. Der andere Ösi und einer der Holländer sind natürlich enteilt. Im letzten nun wieder fahrbaren Downhill trete ich noch mal richtig drauf und hole den einen Holländer wieder ein, setze mich ab und donnere weiter bergab – geradeaus in einen Komposthaufen in irgendeinem Vorgarten mitten in der Pampa. Die Strecke ist mal wieder nicht ausgeschildert hier, bzw. man kann sie bei dem Tempo nicht wirklich orten. Ich entferne mein Vorderrad aus dem Haufen, drehe um, suche die kaum sichtbare Strecke und gase weiter. Der Holländer kommt zum Glück nicht wieder vorbei. Die Anlieger in den Serpentinen gegen Ende des Berges nehme ich dankbar mit und hole den Ösi beinahe wieder ein, als die Strecken der Grande und Extrema zusammenlaufen. Prompt kommt es fast zum Crash zwischen mir und einem Italiener von der Grande. Puh, Schwein gehabt. Der Ösi merkt, dass ich mit dem Italiener und einem weiteren Grande-Fahrer näher komme, und gibt in der Ebene Stoff. Ich drücke uns aber ran, und bis ins Ziel kreiseln wir „belgisch“. Kurz vorm Ziel wird der Sprint eröffnet, ist aber gleich schon wieder Geschichte, weil der Ösi sich in der Zielgerade vertut und falsch abbiegt Richtung Arco. Ich biege richtig ab und komme nach rund 5:32 Stunden ins Ziel. 

Die Ergebnisse dürften anzufechten sein, da eine ganze Menge von Langstreckenfahrern die kürzere Grande nehmen aus Defekt- oder Erschöpfungsgründen, aber dennoch gewertet und vor uns platziert werden. Meine eigene Zeit ist im Vergleich zu meinem Navi fragwürdig, und ich vermute, man hat mir die Zeit des Blocks A2 aufgebrummt, der ja vier Minuten früher startete als mein B-Block.
Oliver muss das Rennen leider wegen eines irreparablen Plattens aufgeben, wird aber dennoch in der Extrema kurz hinter mir gewertet ;-), und Bettnachbar FK verfährt sich auch zweimal und erleidet kurz vor Ende des letzten Downhills einen bösen Reifenschaden, der ihn zum Schlauchwechsel zwingt. FK kommt laut Liste auf Gesamtplatz 33 an, ich auf 57, wobei es sicher noch einige Plätze weiter vorn sein müssten. Unter den Top-Leuten ist Urs Huber der Einzige, der sich nicht verfährt und somit zum Sieg kommt. Ansonsten hätten Kulhavy oder Hynek das Ding gerissen.
Für ein offizielles UCI-Rennen, das besetzt ist wie eine WM, sind sowohl die Streckenbeschilderung als auch die fragwürdigen Ergebnisse nicht standesgemäß, eher sogar peinlich. Für eine Startgebühr inkl. Nachmeldung von insgesamt 63 EUR, die ich zum Glück nicht bezahlen musste, darf mehr erwartet werden. Auch der Inhalt des Startbeutels ist ein Witz im Vergleich zu so manchem Dorf-Rennen mitten im Nirgendwo, wo man vielleicht 10 EUR löhnt. 

Gleich nach dem Zieleinlauf und kurzer Stärkung geht’s Räder abwischen, denn der Kärcher kostet mal eben 10 EUR, und zum Duschen. Diese Duschen zu finden ist eine echte Herausforderung. Meinen Gürtel kann ich jetzt um ein Loch enger schnallen, obwohl ich rekordverdächtige neun Gels, vier Bananen und einen Energieriegel aß, und italienische WCs sind, sollte man mal müssen, nach der Extrema nicht benutzbar: Donnerbalken und eine oberschenkelverkrampfende Kampfhocke sind ganz schlecht fürs Regenerieren, zumindest, wenn man größer als 1,35 m ist. Ich muss zum Glück nicht. Heimwärts im Tuborg-Transporter zieht FK voll durch, es gibt nur eine Pinkelpause auf knapp 800 km, eine Ermahnung wegen zu langsamen Essens (Güldi hat nur kleine Kauwerkzeuge) und obendrein viel Spaß mit einem untermotorisierten Mitsubishi-Kleinwagen und einem etwas übermotorisierten damengelenkten Opel Insigna. Schließlich beschließen wir, das Haldenrennen in Löbichau am Sonntag der Vernunft halber nicht zu fahren, und kommen wohlbehalten in No Fountain an, daheim bin ich gegen 23 Uhr. 

Wie wir unsere Ankündigung mit Löbichau eingehalten haben, steht im nächsten kleinen Rennbericht.

Tanti saluti di Güldi!


Keine Kommentare: