Zuletzt bin ich vor 1,5 Jahren hier
gefahren und stelle fest, dass sich der Veranstalter von seinem Golf IV
getrennt und sich einen gebrauchten Audi A6 geleistet hat. Die Musik zum Start
aus dem Auto bleibt dieselbe: Highway to Hell von AC/DC. Die Fahrer um mich
herum fahren Semislicks und teilweise Starrgabel, ich fahre das Feucht-Setup
der Ronda Extrema und bin damit sichtbar „overdressed“. Am Start muss ich mir
dann auch noch nicht ganz ernstgemeinte „Beleidigungen“ anhören. Zitat A. Hennig
(Rapiro): „Such dir endlich `ne M…[zensiert]!“ Zitat P. Lichan (Team Fast-Zweiradhaus):
„Was willst du denn hier? Du suchst doch keine Mitfahrer, sondern nur Opfer.“
Okay, spätestens jetzt bin ich akzeptiert hier im Brandenburger Nirgendwo.
Nach zwei Kilometern hinterm gebrauchten
Audi geht es so langsam, aber sicher scharf, aber bereits hier sehe ich aus wie
ein Schwein, weil ein Held vor mir sein Bike durch eine tiefe Pfütze lenkt.
Zu Beginn ist die Spitzengruppe sehr
groß, doch mit zunehmender Renndauer dezimiert sich unsere Horde. Mein
letztwöchiger Zimmer- und Mitfahrkollege von Riva, John-Oliver Stahn, leistet in
der ersten Runde die meiste Führungsarbeit. Die Strecke hat einige kleine
giftige Anstiege und eine recht heftige, versandete 28-%-Rampe einige Kilometer
vor Rundenende. Oben angekommen, bin ich ganz vorne dran zusammen mit Oli und
Marco Häntschel, ohne Knallgas fahren zu müssen. Sehr schön. Bergab und auf den
folgenden flachen Stücken rollt ein Teil unserer Gruppe wieder zusammen, bevor
wir zur Schiebepassage kommen. Der Veranstalter warnte uns ausdrücklich: „Wer
hier fährt, wird disqualifiziert, also keene Diskussionen, dat dat klar ist!“
Okay, wir steigen alle mehr oder weniger sichtbar ab, hüpfen über die Ursache
der Sperrung, einen 50 cm breiten ausgewaschenen Graben, hüpfen wieder auf die
Bikes und setzen unsere Fahrt fort. Die erste Runde bringen wir unspektakulär
zu Ende.
Zu siebt geht’s sehr gemütlich in Runde
zwei. Das Tempo ist auch die nächsten fünf Kilometer so langsam, dass ich
fürchte, das halbe Feld rollt wieder zusammen. Ich fahre Grundlagenpuls.
Gemeinsam mit Oli mache ich jetzt das Tempo, etwas später bin ich
Alleinunterhalter in der Führungsarbeit, weil sich keiner beteiligen möchte oder
kann. An einer Abzweigung Mitte der Runde holt mich Oli fast vom Bock, als er
unerwartet nach rechts in die falsche Richtung abbiegt und meine Bahn kreuzt,
doch Güldi kann noch ausweichen. Die Strecke ist nicht überall eindeutig
sichtbar beschildert, sodass wir so einige kurze Umwege einbauen. Auch am Steilanstieg
im Wald fahre ich nach nun schon rund 10 km immer noch vorne, darf aber als
Erster in den Uphill und das Tempo vorgeben. Oben komme ich mit einigen Metern
Vorsprung an, kann diese aber im Downhill und den Flachpassagen nicht
verteidigen. Schon wieder fahre ich vorn, nachdem Marco Häntschel mal kurz am
Gashahn dreht, aber nicht wegkommt. Wir sind jetzt nur noch zu viert: Marco,
Oli, Güldi und Christoph Hopp, der kaum Führungsarbeit leistete und leistet. An
den leichten Anstiegen erhöhe ich immer mal etwas das Tempo, kann aber nur
wenige Meter rausfahren, weil die Steigungen nicht lang genug sind. Meine
Mitfahrer kleben an mir wie Kletten. Marco hechelt jedoch hörbar, und ich bin
mir nicht sicher, ob es Asthma ist oder Leidenschaft, und hoffe, dass er wohlbehalten
das Ziel erreicht. Zur Schiebepassage hinab fährt ausnahmsweise Christoph mal
vorne, steigt regulär ab, vor mir allerdings versäumt es Oli, das Gleiche zu
tun. Natürlich steht der Veranstalter just in diesem Moment genau an dieser
Stelle und ruft: „Die Nr. 127 bitte absteigen und das Rennen sofort beenden!“
Oli fährt trotzdem mit uns weiter, weil er sich keinerlei Vorteil verschafft
und im Ziel auf Gnade hofft. Bis zur Asphaltzielgeraden werde ich meine
Begleiter nicht mehr los, ich versuche es auch gar nicht mehr, weil es topfeben
ist. Zu viert nebeneinander ist Marco der Erste, der lossprintet, wir anderen
drei setzen nach. Ich kann zwar Marcos und Christophs Hinterräder halten, aber vorbeifahren
kann ich nicht. Die Nr. 127 ist noch hinter mir. Kurz vor dem Zielstrich aber
nimmt Christoph raus, weil uns der Veranstalter zu Beginn sagte, wenn
gesprintet wird, ist das Ziel vor der 180°-Kurve und nicht, wie der Zielstrich
vermuten lässt, dahinter. Nun ja, ich scheine demnach zumindest als Zweiter
über den gemalten Zielstrich gefahren zu sein, da ich in der Gesamtwertung
Zweiter bin. Egal, die AK der reifen Männer kann ich mir mit solidem Preisgeld
sichern. Sandra Kaiser wird Zweite bei den Damen und kann sich ebenfalls über
etwas Preisgeld freuen.
Nach dem Rennen rolle ich mich mit Nr.
127 aus, dusche und warte auf Sandra, die prompt erscheint. Wir sichern uns
noch einen kostenlosen Regenerationsdrink, den u. a. blonde Zwillinge
verteilen. Die wurden sicher heute früh direkt aus Kopenhagen vom Eurovision
Song Contest eingeflogen, nachdem sie dort für Russland starteten. Parallel zum
leckeren Mittagessen hält der Veranstalter die Siegerehrung ab. Oli wird zwar
aufgerufen, dann aber mit den Worten „Ach nee, der ist ja disqualifiziert“ wieder
zurück auf seinen Platz geschickt. Super. Auch unser Veto bringt nix,
Veranstalter Sebastian bleibt knallhart. Der hiesige Förster hat ihn die
Auflage erteilt, dass dort zu schieben ist, also ist dort zu schieben. Für uns
Fahrer ist das – bis auf den einen tiefen Graben – nicht nachvollziehbar, aber
der Förster scheint kein MTB-Freund zu sein. Nr. 127 nimmt’s relativ locker und
souverän und will sein Preisgeld der dritten Dame spenden, weil der jetzt Dritte
der Herren nicht mehr vorhanden ist, aber das mit dem Spenden wird wohl auch
nichts.
Sandra und ich düsen nach der
Siegerehrung zurück nach DD, wo’s schauert, und ich schleiche mit dem
Pussywagon zurück nach C, ohne zu tanken, versteht sich. Man kann ihn auch
sparsam bewegen, ehrlich. Schließlich empfängt mich meine Mieze Coco mit
offenen Pfoten. Rollig ist sie auch wieder. Das wird `ne lustige Woche … Bis
demnächst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen