Es ist Renn-Sonntag. Mein
Ziehsohn erdreistet sich zu verlangen, ihn direkt vor der Haustür in
Frohnbach-Oberlimba abzuholen. Das bedeutet für mich eine Viertelstunde weniger
Schlaf, aber im Alter braucht man davon ja eh nicht
mehr so viel. Ich sacke ihn pünktlich ein,
schnalle ihn im Kindersportsitz an, und
schon sind wir in O'thal. Anmeldung, Übergabe der Flaschen, das Ausschimpfen des Sohnes wegen des Vergessens des wichtigen
Ventilschlüssels, das Warmfahren und das Vordrängeln in die erste
Startreihe sind schnell erledigt. Und ab geht die
Post.
Bereits am Pflasteranstieg der Vierenstraße wird gewaltig
angegast – viel zu schnell, aber egal und kein Wunder bei dem Starterfeld. Die Meute rollt jedoch wieder zusammen, um
geschlossen dem Bearstone entgegenzufahren. Auf dem Weg dorthin macht sich
insbesondere Teamkollege Sebastian „FK“ Stark keine Freunde, wenn er in die
Führung geht. Zumindest höre ich den einen oder anderen im Feld hörbar fluchen.
Den Bearstone empor wird erneut dermaßen Gas gegeben, dass man meinen könnte,
da oben teilt der Geist des Berges Bratwürste aus. Beteiligen daran tue ich
mich nicht, weil ich erst Freitag auf Arbeit
Bratwürste hatte, und fahre meinen konstanten Stiefel weiter, denn am Ende kackt
die Ente. Mit Unterstützung des deutlich erstarkten und ergrauten Sven Mehner, mit dem ich
schon Ende der Neunziger harte Duelle ausgefochten habe
– auf dem Rad und nicht im Nintendo –, docken wir nach der Abfahrt
wieder an die Spitze um FK, Dr. O, David Seidel und
Co. an. Geht doch. Auf dem Bergabstück nach King's
Forest verabschieden sich zwei Fahrer mit Plattfuß, einer davon heißt
seit Geburt Maximilian Langhans, den anderen kenne
ich nur vom Sehen. Die Plattenstraße (Marktsteig) zum Pöhlberg gast unbreakable FK erneut
spürbar an. Einige Fahrer, darunter auch ich, docken unfreiwillig
ab. Kurze Zeit später am Fuße des Col
de Pöhl kommen uns merkwürdigerweise mein Ziehsohn Christian Schröder und
Tretungeheuer Markus Thiel aus irgendeinem Straßenwinkel entgegen. Die haben sich etwas vertan beim Interpretieren der
Streckenpfeile. CS versucht vergebens, das Loch zur Spitze zu schließen,
das Tretungeheuer belässt es beim Mitrollen in unserem kleinen Grupetto um Sven
Mehner und mich. Weiter oben fange ich meinen unerzogenen Ziehsohn wieder ein.
Zu viert setzen wir unsere Fahrt fort, und das Tretungeheuer macht seinem Namen
alle Ehre. Im Prinzip benötigt es nur die unteren vier Gänge, und es hat vorne ein extra großes Blatt gekettet.
Irgendwo zwischen Sehma und Walther's Village
bei Kilometer 45 dockt unser Quartett an die Fahrer Hummel und Strehle an. Und meine
Beine werden langsam munter, welch eine Freude.
Auf dem Weg zur Kuppe des Col de la Scheibe parkt als
Muntermacher ein Rentnerauto mitten
in der Spur. Opa gestikuliert und schimpft mit
Oma, dass hier doch Radfahrer kommen könnten. Und ad hoc kommen tatsächlich
welche. Krass. Den Opa verfehle ich knapp,
Oma sitzt im Vehikel und sortiert die Gänge. Auf der Hälfte der Auffahrt kommen
uns die Fahrer Seidel und Dr. Stark, später Dr. O
in Kampfhocke entgegen. Sieht cheise aus, macht aber schnell. Der Abstand
ist noch überschaubar. Immer noch zu sechst düsen wir mal
mehr, mal weniger zügig dem Unterbecken Markersbach entgegen, wo wir
Herrn Seidel treffen, der gerade einen Nagel aus seinem Reifen popelt. Er
hatte schon letztes Jahr Pech mit einem Plattfuß. Einfach
zu schnell, der Junge. Und just an diesem Unterbecken
geht die Vier-Hübel-Tour im Prinzip erst richtig los, deswegen folgt jetzt ein
neuer Absatz.
Unser Sextett hat's die Abfahrt runter ein bisschen zerlegt, jedenfalls bin ich nun ganz
vorne und mache die Pace. Die Beine sind noch willig. Wie schon am Col de Pöhl
werden meine Kollegen und ich astrein verbottelt von Anne, der Liebsten von
Drei-Meter-Mann Lars, und von Kerstin, der
Liebsten von Ronny Schmidt, der wenige Minuten hinter uns sein Dasein fristet. Die Rampe zum Oberbecken
fordert Opfer. Tretungeheuer Markus geht flöten oder hat Defekt oder Krämpfe oder Kettenschaden oder Kolbenklemmer oder
irreparablen Ritzelverschleiß; ich weiß es zu Redaktionsschluss leider
nicht. Der Ziehsohn, Fahrer Hummel und ich sind zunächst alleine unterwegs, bis oben
im Flachen Leuchtturm Lars und Drücker Sven wieder andocken. Wir umrunden
einmal das Oberbecken und rollen hinab zum Ephraimhaus. Jetzt folgt wie jedes
Jahr der olle Anstieg des
Friedrichsbachweges, wo der Straßenfahrer
und der Hummeljonas
ein paar Meter enteilen. Erst recht weit oben im
Steilen kann ich dank meines außerordentlich konstanten Tempos mal
wieder andocken, im Schlepptau Fahrer Mehner. Mein Ziehsohn allerdings hat zu
wenige Haferflocken gegessen des Morgens in Limbach
und erleidet einen Hungerast. Er dockt ab. Vier kleine Negerlein machen sich
fortan auf den Weg gen Col de Fichtel, aber vorher wollen noch die Rampen der
Altpöhlaer Straße und der Friedensstraße erklommen werden. Und hier wird's
eklig, denn meine Oberschenkel verkrampfen langsam, aber sicher. Ich hätte
mindestens eine Flasche mehr benötigt, aber wir haben halt nur zwei Schmusis, die uns verbotteln. Kopf und Oberkörper sind willig, der
Unterkörper streikt. Zum Glück kommen nun die Ziege und paar flachere Meter.
Den letzten Anstieg die Wellenschaukel hinauf enteilen mir die Fahrer Hummel
und Strehle um einige Meter, weil ich einfach nicht drauflatschen kann, wie ich gerne würde, was mir natürlich gewaltig
gegen den Strich geht. Andere erwischt es noch schlimmer. Es gibt Leute im
fortgeschrittenen Alter, die sich sogar den Arschmuskel eingeklemmt haben und
schieben müssen. Namen nenne ich keine, aber
derjenige fuhr früher wie ein Gestörter Polo,
wechselte die Automarke und ist jetzt „Astranaut“. Am Ende trauen sich
tatsächlich vier Leute vor mir über die
Ziellinie. Unverschämt. Herr Mehner, immerhin schon 46 Jahre alt und
damit deutlich älter als ich, folgt mir, und David Seidel, der ohne Platten
wohl Zweiter geworden wäre, hat ordentlich aufgeholt und kommt als Siebter auf
dem Plateau an. Teamkollege Mike Baumann schafft es als Neunter auch in die Top Ten, Ziehsohn Christian Schröder kommt hungrig
als Zwölfter ins Ziel. Erzgebirgs-Weltmeister aber wird unser FK, der wieder
alles in Grund und Boden fährt wie vor seinem Crash
und einen Liegestuhl gewinnt. Gut für den lädierten Rücken. Und gewinnt man die 4HT mindestens drei Mal, steht man im Erzgebirge spätestens jetzt auf einer Stufe mit Anton Günther. Geschafft haben das nun drei Heizer. Und die waren heute alle mit dabei, zwei davon nicht mehr ganz so taufrisch, aber immer noch recht fix. Es dauert nicht mehr lange, und Straßen, Wege und Klettersteige werden nach denen benannt werden in der Gegend. Dr.-Stark-Straße, Dr.-Ortmann-Weg, Döner-Steig.
Nach der Tour werden gemeinschaftlich Nudeln geschaufelt. Mein
Flüssigkeitsdefizit gleiche ich mit sechs Bechern bzw. 1,2 Litern Tee aus. Im
Tal noch fix duschen bei Vogelgezwitscher aus dem Lautsprecher des Duschcontainers, den
Ziehsohn ausgeschimpft wegen vergessener Putzlappen, und schon geht es
wieder heim nach KMSt. Ach nee, ich muss ja
erst den Ziehsohn absetzen. Zu meinem Erstaunen werde ich von seinen Zweit-Eltern zum Teetrinken
und Torteessen verführt. Da lasse ich mich nicht lumpen. CS gleicht hier sein
Haferflockendefizit mit einer halben Torte aus und greift seinen eigenen KOT
an. King of Torte, natürlich. Ich belasse es bei drei Stück, damit ich irgendwann noch mal eingeladen werde wegen
guter Führung. Außerdem muss ich ja auch die Wampe im Zaum halten. Und
weiterhin zu meinem Erstaunen kann ich am Folgetag dasselbe Fahrrad zum
Training benutzen, mit dem ich am Vortag „Rennen“ gefahren bin. Nix kaputt,
alles rollt. Eine völlig neue Erfahrung für mich.
So. Ich weiß noch nicht, wo ich
als Nächstes starte, aber ich hoffe, dass meine normale Form, die ich seit Juni
vergeblich suche, irgendwann dieses Jahr noch zurückkehrt. Bis dahin frohes
Schaffen!
Ergebnisse: hier.
Wellenschaukel (c) by Thomas Jacobi |
2 Kommentare:
Schön geschrieben, Guido ;) Der FK war ja wirklich überragend !
Kopfschütteln nach jedem zweiten Satz! Herrlicher Text! Vielen Dank und liebe Grüße
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