Ich erwische einen gar nicht
mal so guten Start; am ersten Nadelöhr kommt’s schon zum Stau. Bereits ab hier
ist die Spitze auf Dauer außer Sichtweite. CS und sein Vati spielen jetzt das
Spiel „Sammle den Tschechen“, denn einer nach dem anderen platzt vorne raus,
und wir holen die Leute ein. Klar, sind auch paar Deutsche darunter; einer von
denen steht am Rand und isst rückwärts, manche erleiden Defekte, manche liegen
im Wald herum. Die Strecke ist nicht ganz ohne und recht XCO-lastig ausgelegt;
viele Tschechen, und die haben ohnehin solide Fahrtechnik, nutzen ein Fully.
Und nutzt der gemeine Tscheche ein Fully, dann weiß der gemeine Tscheche, was
er tut. Auch viele Deutsche nehmen das Fully, darunter der „60-km-Felix“
Fritzsch und mein Teamkollege, der rückengeplagte Dr. FK. Mein Fully steht zum
Verkauf, deswegen hoble ich mit dem Harttail und relativ wenig Luftdruck um den
Kurs.
Runde eins bzw. knapp zwölf Kilometer sind recht schnell
gegessen, mein Ziehsohn und ich befinden uns mitten im Nirgendwo.
In Runde zwei hat sich das
Feld entzerrt, es gibt keinen Stau mehr am Skilift-Downhill. Immer wieder
sammeln wir Leute ein, und ich habe wie schon in Runde eins Mühe, in den kurzen
Anstiegen das Hinterrad meines Ziehsohns zu halten. Im Prinzip bräuchte ich
noch paar Stunden Schlaf nach der letzten Nacht. Frühs daheim war ich so von
den Socken, dass ich mir um ein Haar Katzen-Trockenfutter in die Trinkflaschen
geschüttet hätte. Grund: Mein Trinkpulver fristet sein Dasein in einem baugleichen
Behältnis wie das Katzenfutter.
Unsere Pace ist zumindest so
gut, dass wir nun auch auf Dr. O und Dr. FK aufrollen kurz vor einem Anstieg. Zwei
Tschechen sind auch dabei. Ein Fahrkünstler verliert just in diesem Anstieg die
Traktion, klickt aus, sodass ich blockiert werde. Dr. O alias Robodoc, FK und CS ziehen von
Dannen, während ich hinter einem Tschechen festhänge und nicht vorbeikomme auf
dem engen Trail. Links ist kein Platz, und rechts überholen kostet außerhalb
geschlossener Ortschaften 100 EUR und einen Punkt. Das reguläre Überholen gelingt
mir erst weiter oben, wo Platz ist. Nun heißt es erneut, das Loch nach vorne
zuzudrücken, was mir nach knapp zehn Minuten endlich gelingt. Doch unmittelbar
darauf folgt ein Anstieg, an dem FK etwas Stoff gibt. Ich bin gerade bissl blau
vom Aufholen und kann nicht aufschließen. Sehr ärgerlich. Robodoc, CS und FK
enteilen wieder. Erneut etwas später klettert Dr. O aus einer recht tiefen
Schlammpfütze, wodurch ich ihn kampflos kassieren kann. CS ist auch nicht so
weit weg, doch FK macht Druck. Am steilen Laufstück rennt Dr. O an mir vorbei und
kann Meter zwischen uns bringen. Meine Beine sind für den Scheiß einfach zu
kurz. Das anschließende technische Wurzelstück spielt mir hingegen in die
Karten, sodass ich immerhin meinen Ziehsohn einholen kann. Hot Doc ist bereits an
ihm vorbei, ich nehme die Verfolgung auf. In der Rundendurchfahrt werden wir
von der multitaskingfähigen Laura verbottelt. Ihre FK-Zwerge 2.0 und 3.0 sind
übrigens auch am Start beim Laufradrennen. Paul, der Ältere, holt sich souverän
den Sieg bei den „Spatzen“ mit einem Vorsprung von einer halben Minute bei
einer Renndauer von rund einer Minute. Hammer. Emil, der Jüngere, spurtet auf
P5. Das kann was werden in ein paar Jahren …
Runde drei. CS erlitt laut
eigener Aussage und seinen Datenaufzeichnungen einen kleinen Einbruch in Runde
zwei, sodass sein Vati ihn ab sofort ins Schlepptau nimmt. Wenn ich meine Daten
so anschaue, leide ich ständig unter einem Einbruch. Das liegt aber unter
Umständen daran, dass mein Herzfrequenzmesser im A… ist und nur erhöhten
Ruhepuls anzeigt.
Was in Runde drei so
passiert, weiß ich gar nicht mehr richtig. Ich glaube, ich beiße mir die Zähne
aus, Robodoc einzuholen, und habe ziemliches Rückenaua. Ach ja, und ich fahre auf
Silvio Hauschild auf. Ziemlich rasant. Sicher Platten. Beim Näherkommen erkenne
ich seine weiblichen Rundungen und seine schwarzen, langen Haare. Hmm, Cheise, es
scheint dann wohl doch mal wieder seine Freundin zu sein, die im selben Trikot
unterwegs ist. Die zwei haben mich schon einmal veralbert. Sie wollen dadurch
meine Moral brechen. Erst Blut lecken, dann konsterniert feststellen, dass es
gar nicht der Silvio ist, um meinen Kampfeswillen gänzlich zu brechen.
Geschickte Taktik.
Auf geht’s in Runde vier. CS klebt nach wie vor an meinem Heck und lässt seinen Vati nicht aus den Augen.
Gut erzogen ist er jedenfalls, der Christian. Wir nähern uns allmählich einer
Renndauer von zwei Stunden. Der handelsübliche Cross-Country-Fahrer geht zu
dieser Zeit langsam, aber sicher blau. Das ist in Sebnitz nicht anders.
Innerhalb weniger Minuten holen wir recht viele Fahrer ein. Nur die wenigsten
wehren sich. Und schon wieder rückt mir die Freundin von Silvio Hauschild ins
Blickfeld. Man kann deutlich ihre kurzen, brünetten Haare und ihren maskulinen
Körperbau ausmachen …
Gegen Ende der Runde, in der
steilen Laufpassage, rennt mein Ziehsohn an mir vorbei. Auch er hat längere
Beine als ich und ist deutlich dünner. Oben angekommen, gast er an, dreht allerdings
kurz drauf auf einer nassen Wurzel direkt in front of me einen waschechten One-eighty
und legt sich im Dickicht schlafen. In seinem noch knabenhaften Alter braucht man hin und wieder eine
Mütze voll Mittagsschlaf. Dieses Mal kann ich nicht warten, weil mir noch ein,
zwei überholte Tschechen im Nacken sitzen, die ich gerne abledern würde im
letzten Wurzelup- und später -downhill. Das gelingt solide. Meinen letzten
Tschechen für heute stelle ich am Col de Ziel. In der Gesamtwertung bedeutet
das Platz 13. Eine halbe Runde mehr, hui, da wäre bestimmt noch was gegangen.
CS kommt paar Sekunden nach Vati ins Ziel auf P15. FK ist schon eine Weile da
und wird nach Protest noch Gesamtsechster und Zweiter bei den Veteranen I. Neuzugang
Karin triumphiert bei den Damen. Erstes Rennen, erster Sieg.
Den obligatorischen
Schokokuchen von Laura gibt es im Nachgang vor der Siegerehrung, anschließend
rollen wir auf vier Rädern und zu dritt – Lauras Schwester Lena im erweiterten Kofferraum –
heim nach Karl-Marx-Stadt.
Beim nächsten Mal hoffe ich,
etwas ausgeschlafener zu sein. Strecke und Startgeld jedenfalls haben gerockt.
Und mit einem Fully macht das Ganze sicher richtig Spaß.
Und tschüss!
Ergebnisse: hier.
Vati und Ziehsohn bei der Rundendurchfahrt (c) by LH |
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